2. November 1948: Der heutige Prälat des Opus Dei lernt Josemaria Escrivá kennen

Ich fühle mich nicht gut. Das waren auf dieser Erde die letzten Worte von Josemaría Escrivá. Es war 12 Uhr mittags, 1975 in Rom. Javier Echevarría war derjenige, der diesen seinen letzten Satz hörte, nachdem er fünfundzwanzig Jahre täglich mit ihm zusammen gewesen war.

--Javi! Und als Javier Echevarría in das Zimmer trat, fügte er mit ganz schwacher Stimme hinzu: Ich fühle mich nicht gut. Das waren auf dieser Erde die letzten Worte des heiligen Josefmaria, des Gründers des Opus Dei. Es war 12 Uhr mittags, 1975 in Rom.

Javier Echevarría war derjenige, der diesen seinen letzten Satz hörte, nachdem er fünfundzwanzig Jahre täglich mit Josemaría Escrivá zusammen gewesen war. Seit 1948 war er Mitglied des Opus Dei, wurde 1952 zu seinem Privatsekretär ernannt und 1956 als einer der beiden Personen gewählt, die gemäß den Statuten des Opus Dei immer mit dem Generalpräsidenten (dem Prälaten ab 1982) zusammen leben und ihm bei der täglichen Arbeit helfen sollen.

In einem Interview schilderte er den ersten Eindruck, den er vom Gründer des Opus Dei an dem Tag gewann, als er ihn kennenlernte.

„Das war am 2. November 1948, im Zentrum des Opus Dei in der Diego de León-Straße. Zusammen mit anderen Mitgliedern des Werkes nahm ich an einem Beisammensein teil. Bei dieser Gelegenheit sprach er über die Treue zur Berufung und darüber, daß unser Leben ein beständiges Apostolat sein soll. Danach mußte Msgr. Escrivá nach Molinoviejo, zu einem Tagungshaus in der Nähe von Madrid fahren, dessen Renovierungsarbeiten in ihrer Endphase waren. Drei von uns lud er ein, mit ihm zu kommen, falls wir Zeit hätten. Während der Fahrt sang er, und erklärte uns zwischendurch, daß wir notwendigerweise zufrieden sein müßten, weil wir Kinder Gottes sind und die Berufung zum Opus Dei erhalten haben, um der Kirche und den Menschen zu dienen. Er betonte, daß wir alle Aufgaben und Tätigkeiten auf Gott beziehen sollten; und als Beispiel führte er die Lieder an, die er gerade mit einer Natürlichkeit, Freude und Begeisterung gesungen hatte, die für uns überraschend war. Er sagte noch, daß ihm diese Lieder halfen, mit Gott und der Muttergottes zu sprechen.

Während der Fahrt wurde mir schlecht und wir mußten anhalten, um das Innere des Wagens und auch meine Kleidung zu säubern. Mein Anzug war sehr dreckig, aber er half mir ohne das geringste Anzeichen von Ekel. Als er merkte, wie peinlich mir das war, spielte er das Geschehene herunter, behandelte mich besonderer Liebenswürdigkeit und ließ, als wir wieder im Auto saßen, das Fenster öffnen, damit ich Luft hätte, auch wenn ihm die Kälte zu schaffen machen konnte.

Bevor mir schlecht geworden war, hatte er sich einen Spaß daraus gemacht, auf kleine verfallene Häuser in der Ferne hinzuweisen, als ob sie das Tagungshaus wären; er amüsierte sich dann über unsere enttäuschten Gesichter: Nein, das ist es nicht, wir sind noch nicht da! Danach allerdings sorgte er sich um meinen Zustand und fragte: Geht es dir gut? Mach dir keine Sorgen, wir sind gleich da; es ist nicht so schlimm. Wenn wir da sind, wird dein Anzug sauber gemacht, du nimmst etwas zu dir, was den Magen beruhigt und dann geht es dir besser als vorher.

Ich war verblüfft über seine natürliche Art, wie ein Vater und eine Mutter mit mir umzugehen; er sprach mit mir, als kennten wir uns schon lange."

-- Und einige Jahre später, als Sie Ihre Arbeit an der Seite von Msgr. Escrivá aufnahmen...?

"Als er mich, so jung wie ich war, zu seinem Sekretär ernannte, sagte er zu mir: Alle diese Schränke und Schreibtische, die ich benutze, kannst du in aller Freiheit öffnen und schließen und schauen, was ich habe. Das war für mich ein Zeichen unverdienten Vertrauens, vor allem wenn man bedenkt, daß der Gründer des Opus Dei eine bekannte Persönlichkeit war und eine besondere übernatürliche Größe hatte.

Als er mich 1956 zum Custos für die materiellen Angelegenheiten wählte, hatte ich Gelegenheit, die Wahrheit dessen, was über ihn gesagt wurde, selbst festzustellen: daß er nämlich wie in einem Glashaus lebte. Die Menschen in seiner Nähe wußten, wann er aufstand und sich schlafen legte, ob er er in der Kapelle oder am Schreibtisch saß, wann er aß, um welche Uhrzeit er das Haus verließ oder mit wem er zusammen war; diese Haltung erklärt sich unter anderem auch daraus, daß er ein ausgesprochen geordneter Mensch war und wollte, daß man ihn sofort ausfindig machen konnte, wenn er gebraucht wurde.

Als ich in den 50er Jahren begann, an seiner Seite zu arbeiten, hatte ich den Eindruck, einen Menschen mit lauter guten Eigenschaften vor mir zu haben. Er war liebenswert und liebenswürdig, herzlich, anziehend, dienstbereit, immer bedacht auf die anderen, und er besaß die Fähigkeit zu merken, wann jemand etwas brauchte oder einen größeren Kummer mit sich herumtrug; ich hatte einen guten Lehrer vor mir, der es verstand zu ermutigen und zu korrigieren, einen Vorgesetzten, der seinen Mitarbeitern Vertrauen schenkte; und vor allem einen Priester und Vater, der sich Tag für Tag, Minute für Minute durch seine Arbeit dem Dienst an Gott und den Seelen widmete und dabei stets in ein intensives Gebet vertieft war.

Aus dem Buch:

Echevarría Rodríguez, Javier und Bernal, Salvador , Memoria del Beato Josemaría Escrivá, Auflage, Madrid 2000