Das Gebet Jesu

In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten.

In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten (Mk 1, 35).

In diesen Tagen ging er auf einen Berg, um zu beten. Und er verbrachte die Nacht im Gebet zu Gott. Als es Tag wurde, rief er seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus; sie nannte er auch Apostel (Lk 6, 12–13).

»Zusammen mit ihm machen wir die Entdeckung, daß man auch den scheinbar unbedeutendsten Kleinigkeiten eine übernatürliche Dimension verleihen kann; wir werden, von ihm lernend, fähig, in jedem Augenblick des Lebens die Ewigkeit mitschwingen zu fühlen; wir vermögen tiefer zu begreifen, daß das Geschöpf Zeiten des vertrauten Gespräches mit Gott nötig hat, Zeiten, in denen wir Umgang mit ihm haben, ihn anflehen, ihn lobpreisen, ihm danken, ihm zuhören oder einfach bei ihm sind.

Schon vor vielen Jahren bin ich beim Betrachten dieser Eigenart unseres Herrn zu dem Schluß gekommen, daß das Apostolat – jede Form des Apostolates – ein Überfließen des inneren Lebens ist. Deshalb erscheint mir jene Stelle im Evangelium, wo von der endgültigen Wahl der ersten Zwölf durch Jesus die Rede ist, so natürlich und übernatürlich zugleich. Lukas berichtet, daß Jesus vorher die ganze Nacht im Gebet verbrachte. Oder seht ihn in Betanien, bevor er sich anschickt, Lazarus zum Leben zu erwecken; er hat um den Freund geweint, er erhebt die Augen zum Himmel und betet: Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast. Das ist die eindeutige Lehre, die er uns erteilt: Wenn wir unseren Mitmenschen helfen wollen und aufrichtig bemüht sind, sie zur Entdeckung des wahren Sinnes ihres irdischen Lebens hinzuführen, dann muß diese Absicht im Gebet verankert sein.

Das Evangelium berichtet uns von so vielen Augenblicken, in denen Jesus mit seinem Vater spricht, daß es unmöglich ist, sie alle einzeln zu betrachten. In besonderem Maße aber sollten wir bei den erschütternden Stunden vor seinem Leiden und Tod verweilen, da er sich auf die Vollendung des Opfers vorbereitet, das uns in die göttliche Liebe heimholen wird. In der Geborgenheit des Abendmahlssaales entfaltet sich die Fülle seiner Liebe: Er wendet sich flehend an den Vater, kündigt die Herabkunft des Heiligen Geistes an und ermutigt die Seinen zu einer ständigen glühenden Hingabe in Liebe und Glauben.

Dieses innige, brennende Gebet steigert sich noch, da unser Erlöser im Garten Getsemani sein Leiden herannahen sieht: die Erniedrigung, die Schmerzen, das harte Kreuz, nur den Missetätern vorbehalten, das er so lange ersehnt hat. Vater, wenn du willst, so nimm diesen Kelch von mir. Und gleich darauf: Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Später dann, am Kreuzesbalken angenagelt, einsam, die Arme in der Haltung des Ewigen Priesters ausgebreitet, verharrt er im Gespräch mit dem Vater: In deine Hände befehle ich meinen Geist.«

Freunde Gottes, Nr. 239–240