Der Gründer des Opus Dei in der Santa Casa von Nazaret in Loreto

"Einer Überlieferung zufolge haben in jener Casa Santa Jesus, Maria und Josef gewohnt. Ich las die Inschrift über dem Altar: ‘Hic verbum caro factum est’, hier, in einem Haus von Menschenhand erbaut, auf einem Fleck unserer Erde, hat Gott gewohnt.“(Christus begegnen, Nr. 12)

Josemaría Escrivá war am 3./4. Januar 1948 zum ersten Mal in Loreto. Aber der Grund, warum der Gründer des Opus Dei sich besonders in der Schuld der Muttergottes von Loreto fühlte ist in einer schweren Notlage zu finden. In den 50er Jahren litt der heilige Josefmaria viel aufgrund von Unverständnis und Auseinandersetzungen. Mitten in diesen Schwierigkeiten entschloss er sich, nach Loreto zu fahren, um sich unter den Schutz der Muttergottes zu stellen.

„Am 14. August 1951 beschließt er, mit dem Auto nach Loreto zu fahren“, erzählt Ana Sastre*, „um am 15. dort zu sein und das Opus Dei der Muttergottes zu weihen. Die Hitze ist unerträglich und während der ganzen Reise leiden sie schrecklichen Durst. Es gab keine Autobahn. Die Straße führt durch Täler und dann steil den Appenin hoch. Im letzten Teil geht es zur Adria hinunter.“

Einer jahrhundertealten Tradition zufolge steht die Santa Casa de Nazaret seit 1294 auf dem Hügel von Loreto, unter der Vierung der später erbauten Basilika. Sie ist viereckig, ihre Mauern sind ungefähr viereinhalb Meter hoch. Eine Wand stammt aus neuerer Zeit, aber die anderen, ohne Grundmauern und schwarz vom Rauch der Kerzen, sind die, die der Tradition nach aus dem Haus von Nazareth stammen. Ihr Bau und die geologische Bildung des Materials haben keinerlei Ähnlichkeit mit der alten Architektur dieses Gebietes, alles entspricht genau den Bauten, die vor zwanzig Jahrhunderten in Palästina errichtet wurden: Es sind Sandsteinblöcke, die durch Kalk miteinander verbunden wurden.

Das Heiligtum erhebt sich über einem Hügel, der mit Lorbeerpflanzen bedeckt ist, daher auch sein Name. Sie parken den Wagen auf dem zentralgelegenen Platz, und der Vater steigt schnell aus. Fünfzehn bis zwanzig Minuten lang verlieren sie ihn zwischen den Menschen, die die Basilika füllen, aus dem Blick. Schließlich kommt er zum Vorschein, nachdem er die Muttergottes gegrüßt hat. Er lächelt und ist guter Dinge. Es ist halb acht Uhr abends und sie müssen nach Ancona fahren, um dort die Nacht zu verbringen.

Am folgenden Morgen sind sie schon wieder auf der Landstraße, bevor die Sonne die erste Hitze bringt. Trotz der frühen Stunde ist das Heiligtum bis auf den letzten Platz besetzt. Der Vater zieht sich in der Sakristei an und begibt sich zum Altar der Casa de Nazaret, um die heilige Messe zu feiern. Die kleine Kapelle ist zum Bersten gefüllt und es herrscht eine fürchterliche Hitze.

Die heilige Messe

Unter den Votivlampen möchte er mit ganzer Andacht die Liturgie feiern. Aber er hat nicht mit der Inbrunst der Menschen an diesem Feiertag gerechnet: „Während ich nämlich den Altar küßte, wie es die Meßliturgie vorsieht, küßten ihn drei oder vier Bauersfrauen gleichzeitig. Ich wurde hierdurch abgelenkt, war aber innerlich tief bewegt. Einer Überlieferung zufolge haben in jener Casa Santa Jesus, Maria und Josef gewohnt. Ich las die Inschrift über dem Altar: Hic verbum caro factum est, hier, in einem Haus von Menschenhand erbaut, auf einem Fleck unserer Erde, hat Gott gewohnt.“ (Christus begegnen, Nr. 12)

Während der Messe spricht der Vater – ohne Textunterlage, aber voller Glauben – die Worte der Weihe des Opus Dei an Maria. Und dann, an seine Begleiter gewandt, wiederholt er sie mit leiser Stimme im Namen des ganzen Opus Dei. „Wir weihen Dir unser Sein und unser Leben: alles, was unser ist, was wir lieben und was wir sind. Für Dich unser Leib, unser Herz und unsere Seele. Dein sind wir. Und damit diese Weihe wahrhaft wirksam und dauerhaft sei, erneuern wir heute zu Deinen Füßen, Herrin, unsere Hingabe an Gott im Opus Dei.Flöße uns eine große Liebe zur Kirche und zum Papst ein und laß uns all ihren Lehren unterworfen leben.“ (RHF 20755, S. 450)

Eine Anrufung Mariens

Der Vater ist sichtlich müde aus Rom weggefahren. Aber als er zurückkehrt, scheint er wie verjüngt. Als ob jegliches Hindernis sich auf dem Weg Gottes aufgelöst hätte. Vor einigen Wochen hat er seinen Töchtern und Söhnen vorgeschlagen, häufig eine Anrufung an die Mutter Jesu zu wiederholen. „Cor Maiae dulcissimum, iter para tutum! Liebenswertes Herz Mariens, bereite uns den sicheren Weg! Das Lächeln und die Liebe Mariens geht den Wegen des Opus Dei immer vorauf. Einmal mehr hat sich der Gründer innerhalb der Koordinaten des Glaubens bewegt. Er greift zu den menschlichen Mitteln, vertraut aber auf das entscheidende Eingreifen von oben. „Gott ist immer derselbe. - Was nottut, sind glaubende Menschen: dann werden sich diese Wunder wieder ereignen, von denen wir in der Heiligen Schrift lesen. »Ecce non est abbreviata manus Domini«. Der Arm Gottes, seine Macht, ist nicht kleiner geworden!“ (Der Weg, Nr. 586)

Er war noch sechs weitere Male in der Santa Casa: am 7.11.1953, am 12.5.1955, am 8.5.1960, am 22.4.1969, am 8.5.1969 und ein letztes Mal am 22.4.1971. Am 9. Dezember 1973, dem Vorabend des Festes Unserer Lieben Frau von Loreto sagte er: „Alle Bilder, alle Namen, alle Anrufungen, die das christliche Volk der Muttergottes gegeben hat, scheinen mir wunderbar. Aber bei der Muttergottes von Loreto stehe ich in besonderer Schuld.“

*Im Buch: Tiempo de Caminar, S. 413-415