Der Priester soll einzig und allein Priester sein

"Für mich ist es eine große Freude, Erinnerungen an die Gestalt und die Lehren dieses heiligen Priesters, des heiligen Josémaría Escrivá, wachzurufen." Ansprache von Bischof Javier Echevarría, dem Prälaten des Opus Dei, beim akademischen Akt zu Ehren des heiligen Josefmaria im Priesterseminar der Diözese von Logroño, 2003.

Für mich ist es eine große Freude, Erinnerungen an die Gestalt und die Lehren dieses heiligen Priesters, des heiligen Josémaría Escrivá, wachzurufen. Wenn die Menschen, die mir zuhören, Priester sind, freue ich mich doppelt, denn ich kenne die herzliche Liebe, besser gesagt, die Verehrung, die der Gründer des Opus Dei seinen Brüdern im Priesteramt entgegenbrachte, sehr gut. Wie genoss er jede Gelegenheit, mit ihnen zusammen zu sein! Er lernte von allen, und denjenigen, die ihn darum baten, öffnete er sein Herz und sprach mit ihnen über die große Liebe seines Lebens, über Christus und Maria, über die Kirche und den Papst, über alle Menschen. Er sagte dann immer, er fühle sich wie jemand, der dem Imker Honig verkaufen will. Jedoch war sein Honig von solcher Qualität, dass diejenigen, die ihm bei diesen Begegnungen zuhörten, von neuem den Wunsch verspürten, ihrer Berufung treu zu sein. Voller Optimismus waren sie entschlossen, sich voll Freude für ihre pastorale und apostolische Aufgabe zu verausgaben.

Die Identität des Priesters

Ich werde meine Ausführung mit einigen Worten beginnen, die der heilige Josefmaria häufig an die Neugeweihten richtete, die aber auch uns und vielleicht besonders jenen nützen, die schon viele Jahre Priester sind. Er sagte: „Seid in erster Linie Priester, danach Priester, immer und in allem nur Priester.“ Diese Aussage macht seine hohe Auffassung vom Amtspriestertum sichtbar, durch welches einige armselige Menschen – denn das sind wir vor dem Herrn – zu Dienern Christi und Verwaltern der Geheimnisse Gottes (1 Kor 4,1) bestellt wurden. Sein Glaube an die sakramentale Identifikation mit Christus, die sich im Weihesakrament verwirklicht, war so stark, dass es sein einziger Ruhm - neben dem alle irdischen Ehren verblassen - war, einfach Priester Jesu Christi zu sein.

Seit den frühesten Zeiten haben die Heiligen versucht, die Würde des Priestertums zu erklären. Verschiedene Päpste – unter ihnen erinnere ich besonders an den heiligen Pius X., an Pius XI. und den gegenwärtigen Papst [Johannes Paul II.] – haben unvergessliche Dokumente verfasst, die unser priesterliches Leben bereichert haben und es weiterhin bereichern. Auch der heilige Josefmaria hat uns diesbezügliche Aussagen hinterlassen. In einer Homilie aus dem Jahre1973, als sich Verwirrung hinsichtlich der Identität des Priesters verbreitete und der Wert des Amtspriestertums nicht mehr klar gesehen wurde, fasste er seine Gedanken mit folgenden Worten zusammen: „Das ist die Identität des Priesters: Er ist jeden Tag unmittelbar Werkzeug der erlösenden Gnade, die Christus uns verdient hat. Wenn man dies begreift, wenn man es im liebenden, aufmerksamen Schweigen des Gebetes betrachtet hat, wie kann man dann noch das Priestertum als einen Verzicht ansehen? Es ist ein Gewinn ohne Maßen. Maria, unsere heilige Mutter, die heiligste unter allen Geschöpfen – größer als sie ist nur Gott – hat Jesus einmal in die Welt gebracht; die Priester bringen ihn uns jeden Tag auf die Erde, machen ihn unserem Leib und unserer Seele zugänglich: Christus kommt, um uns Nahrung zu sein, um uns das Leben hier zu geben und uns schon jetzt Unterpfand zu sein für das künftige Leben.“ (1)

Seine hohe Meinung bezüglich des Priestertums brachte ihn dazu, seine priesterliche Berufung mit äußerster sorgfalt und stets wachsender Liebe zu leben. Manchmal kam er den Bitten derjenigen, die ihn umgaben, nach und erzählte vom Prozess seiner Berufung. Immer betonte er besonders, dass die Initiative zur ersten Begegnung von Gott ausgegangen war, der ihm entgegenging, als er fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war. Wie ihr genau wisst, war es in Logroño im Dezember 1917 oder Januar 1918, wo der heranwachsende Josefmaria Escrivá die ersten Vorahnungen – er nannte sie barruntos – hatte, dass der Herr ihn für etwas wollte, von dem er nicht wusste, was es war. Er hatte bis dahin nicht an die Möglichkeit des Priestertums gedacht. Trotzdem entschied er sich, ins Seminar einzutreten, um dem Willen Gottes besser entsprechen zu können,. Nach vielen Jahren konnte er mit voller Gewissheit sagen, dass der Beginn seiner priesterlichen Berufung „ein Ruf Gottes war, eine Vorahnung der Liebe, eine Verliebtheit in einem Jungen von fünfzehn oder sechzehn Jahren“.(2)

Im Seminar von Logroño erhielt er die erste priesterliche Ausbildung, die er dann in Zaragoza vervollständigte. Gott wollte, dass der Same, den er am 2. Oktober 1928 auf die Erde ausstreuen wollte, in das Herz eines Priesters fiel, das von Grund auf vorbereitet war, ihn aufzunehmen und Frucht bringen zu lassen. Deshalb stellte der heilige Josefmaria voller Dankbarkeit Gott gegenüber fest, dass es seine Berufung war, Priester zu sein, einzig und allein und immer Priester. Darauf bestand er. Voll Liebe betrachtete er sie als entscheidenden Faktor, der ihn durch die Umgestaltung in Christus darauf vorbereitet hatte, in den Händen Gottes sein Werkzeug für die Gründung des Opus Dei zu sein.

Geschenk und Aufgabe

Seit jeher wurde als Bedingung für das Priesteramt vorgeschrieben, dass die Priesteramtskandidaten unter solchen Männern auszuwählen seien, die ein ehrenhaftes Leben führen. Diese Formulierung, die minimalistisch und schon überwunden ist, kam dem heiligen Josefmaria sehr armselig vor.“Wir müssen begreifen“, schrieb 1945, „dass gemäß der gesamten kirchlichen Überlieferung das Priesteramt aufgrund der heiligen Ämter, die ihm obliegen, etwas mehr als ein ehrenhaftes Leben erfordert. Es fordert von denen, die es ausüben, ein heiliges Leben, denn sie sind als Mittler zwischen Gott und den Menschen bestellt.“(3)

Josefmaria Escrivá hatte – wie Zeugen jener Zeit hervorheben – in seiner Familie und in der Schule eine grundlegende christliche Bildung erhalten, die die Kenntnis der katholischen Lehre, den häufigen Empfang der Sakramente und die konkrete Sorge um die geistlichen und materiellen Nöte der Menschen einschloss. Als Gott ihn zum Priestertum berief, erfuhr sein Leben einen radikalen Umbruch in dem Sinn, dass sein Umgang mit Gott und seine apostolische Sorge für die anderen an Intensität und Häufigkeit zunahm. Das führte ihn zu einer geistigen Reife, die weit über sein jugendliches Alter hinausging, übernatürlich gesehen aber logisch ist. In seinem Leben erfüllte sich das, was in der heiligen Schrift steht: super senes intellexi quia mandata tua servavi4 – Einsichtsvoller bin ich als Greise, weil ich deine Befehle bewahrte. Seit jenen Vorahnungen begann der heranwachsende Josefmaria die Heiligkeit ernst zu nehmen, und bemühte sich, besonders treu den Willen Gottes zu kennen und zu erfüllen.

Das II. Vatikanische Konzil behandelt im Kapitel 5 der dogmatischen Konstitution Lumen gentium das Thema der Berufung der Getauften zur Heiligkeit und stellt fest: „Die Anhänger Christi sind von Gott nicht kraft ihrer Werke, sondern aufgrund seines gnädigen Ratschlusses berufen und in Jesus dem Herrn gerechtfertigt, in der Taufe des Glaubens wahrhaft Kinder Gottes und der göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden. Sie müssen daher die Heiligung, die sie empfangen haben, mit Gottes Gnade im Leben bewahren und zur vollen Entfaltung bringen.“ (5)

Insofern wir Glieder am Mystischen Leib Christi sind, in den wir durch die Taufe eingegliedert wurden, sind wir alle von der Wurzel her geheiligt. Wir tragen in uns den Keim und den Beginn des neuen Lebens, das Christus uns durch seinen Tod und seine Auferstehung verdient hat. Die Taufe ist die Grundlage des Rufes zur Heiligkeit in allen Lebensständen. Wenn man beachtet, daß alles, was wir empfangen haben, reine Gnade ist, erscheint die Heiligung in ihrer Dimension als Gabe. Sie ist ein unverdient gewährtes Geschenk von unserem Vater Gott in Christus durch den Heiligen Geist. Gleichzeitig ist die Heiligung ein persönlicher Ruf, eine Aufgabe, die der Verantwortung jedes Christen anempfohlen ist. Der heilige Josefmaria sagt, dass sie ein Werk für das ganze Leben ist.(6)

Die Heiligkeit ist also Gabe und Aufgabe, unentgeltliche Übergabe eines unverdienten Gutes und gleichzeitig Auftrag, den es mit persönlicher Anstrengung und heroischer Entsprechung durch ein wahrhaft christliches Leben zu vollenden gilt.

Die priesterliche Heiligkeit als Geschenk

Die grundlegende Bedingung für alle Getauften ist ein- und dieselbe: alle, Priester und Laien, sind auf gleiche Weise zur Fülle des christlichen Lebens berufen. „Es gibt keine Heiligkeit zweiter Klasse: entweder kämpfen wir unablässig, um in der Gnade Gottes zu leben und um Christus, unserem Vorbild, gleich zu werden, oder wir sind Fahnenflüchtige in diesem göttlichen Kampf. Jeden lädt der Herr ein, sich in seinem eigenen Stand zu heiligen.“(7)

Wir haben hier eine der grundlegenden Eingebungen, die der heilige Josefmaria Escrivá auf göttlichen Auftrag hin seit 1928 verkündigte. Als er das Opus Dei gründete, zeigte der Herr ihm, dass jeder Mensch versuchen muss, sich im eigenen Stand zu heiligen, in den Lebensumständen, in die er gerufen wurde, in seiner eigenen Arbeit und durch seine eigene Arbeit, gemäß dem bekannten Ausspruch des Heiligen Paulus: unusquisque, in qua vocatione vocatus est, in ea permaneat (1 Kor 7,20).

Die Heiligkeit wird deshalb für Priester und Laien auf demselben Fundament errichtet, der Ursprungsweihe der Taufe, die in der Firmung vervollkommnet wird. Trotzdem ist offensichtlich, dass für den Priester die Pflicht, nach Heiligkeit zu streben, besondere Bedeutung hat. Er wurde nämlich aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen (Hebr 5,1).

Johannes Paul II. schrieb, dass „der Priester, da er in ständiger Verbindung zu der Heiligkeit Gottes steht, selbst heilig werden muss. Sein Amt verpflichtet ihn zu einer von der Radikalität des Evangeliums inspirierten Lebensform“.(8) Im Buch Geschenk und Geheimnis, welches anlässlich seines Goldenen Priesterjubiläums geschrieben wurde, fügt er hinzu: „Wenn das II. Vatikanische Konzil von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit spricht, so muss man beim Priester von einer besonderen Berufung zur Heiligkeit sprechen. Christus braucht heiligmäßige Priester! Die heutige Welt verlangt heiligmäßige Priester! Nur ein heiligmäßiger Priester kann in einer immer stärker säkularisierten Welt ein transparenter Zeuge Christi und seines Evangeliums sein. Nur so kann der Priester für die Menschen zum geistlichen Führer und Lehrer von Heiligkeit werden.“ (9)

Der Priester hat eine zweifache Weihe empfangen: eine wie alle Christen in der Taufe und eine im Weihesakrament. Obwohl man trotzdem nicht von einer Heiligkeit erster oder zweiter Klasse sprechen kann, da alle eingeladen sind, vollkommen zu sein, wie es auch der himmlische Vater ist (vgl. Mt 5,48), besteht kein Zweifel, dass die Priester besonders verpflichtet sind, die Heiligkeit anzustreben. Lesen wir noch einmal Worte des Gründers des Opus Dei, die sich als besonders klärend erweisen. „Nicht nur alter Christus, sondern ipse Christus können und sollen alle Christen sein: ein anderer Christus, Christus selbst. Doch im Priester geschieht dies unmittelbar, auf sakramentale Weise.“ (10)

In der Ausübung des Amtes, für das er geweiht wurde, findet der Priester die Nahrung für sein geistliches Leben, die Materie, die ihn in Liebe zu Gott erglühen lässt. Daher wäre es ein großer Fehler, wenn andere Sehnsüchte und andere Aufgaben seine Seele von dem abbringen würden, was für ihn zum Erreichen der Heiligkeit unerlässlich ist, nämlich die sorgfältige und liebevolle Feier des Messopfers, die Verkündigung des Wortes Gottes, die Spendung der Sakramente an die Gläubigen, insbesondere die Beichte. Außerdem ist ein Leben ständigen Gebetes und froher Buße nötig und die Sorge um die ihm anvertrauten Seelen, verbunden mit vielfältigen Diensten, die eine aufmerksame Nächstenliebe zu schenken weiß.

Seit der heilige Josefmaria den Ruf zum Priestertum vernommen hatte und noch ausdrücklicher, nachdem er zum Priester geweiht worden war, wollte er Christus in der Ausübung seines priesterlichen Amtes und in seinem ganzen Dasein ähnlich werden. Er wollte Christus selbst sein; daher sein Leben des Gebetes, seine bedächtige Feier der Messe, die „Notwendigkeit“ für ihn, lange Zeiten vor dem Allerheiligsten zu verweilen und gleichzeitig seine Eile, Seelen zu finden, um sie in Christus auf Wegen der Heiligkeit zu führen. Er hatte verstanden, dass man alle Lebensumstände heiligen kann und soll, und konkret auch und gerade in der Ehe. Deshalb ermutigte er seit den ersten Jahren als Seelenhirte nicht nur viele Menschen, freudig den Weg des apostolischen Zölibats zu gehen, sondern ebenso viele, die Würde der Berufung zur Ehe zu entdecken.

Johannes Paul II. schreibt: „In jenem Mysterium fidei entdeckt man jeden Tag mehr den Sinn des eigenen Priestertums. Da liegt das Ausmaß des Geschenkes, das der Priesterberuf darstellt, und da liegt auch das Ausmaß der Antwort, die dieses Geschenk verlangt. Das Geschenk ist immer größer! Und das ist schön so. Es ist schön, dass ein Mensch niemals von sich sagen kann, er habe dem Geschenk voll entsprochen. Es ist ein Geschenk, und es ist auch eine Aufgabe, und zwar immer! Dies ist ein grundlegendes Bewusstsein, um seinen Priesterberuf voll und ganz zu leben.“ (11)

Der heilige Josefmaria feierte täglich die heilige Messe mit der Leidenschaft eines Verliebten, denn er war sich bewusst, dass „durch die Priesterweihe der Priester wirklich die Fähigkeit erhält, dem Herrn Hände, Stimme, sein ganzes Sein zu leihen“. (12) Hört, wie er in einem familiären Beisammensein dieses Geheimnis beschrieb, dass die menschliche Persönlichkeit des Priesters sich in diesen Augenblicken verbirgt und sich in ein lebendiges Werkzeug Gottes verwandelt:

„Ich trete zum Altar, und das erste, was ich denke ist: Josefmaria, du bist nicht Josefmaria Escrivá de Balaguer (...): Du bist Christus. Alle Priester sind Christus. Ich leihe dem Herrn meine Stimme, meine Hände, meinen Leib, meine Seele. Ich gebe ihm alles. Er ist es, der sagt: Das ist mein Leib, das ist mein Blut, er konsekriert. Falls es nicht so wäre, könnte ich es nicht tun. Dort erneuert sich auf unblutige Weise das göttliche Opfer von Kalvaria. Auf die Art, wie ich dort in persona Christi zugegen bin, vertrete ich Christus. Der Priester verschwindet als konkrete Person, als Herr X, Herr Y oder Josefmaria ... Nein! Er ist Christus.“ (13)

Die priesterliche Heiligkeit als Aufgabe

Die unvergleichliche Würde des Priesters gründet in seiner sakramentalen Identifizierung mit Christus, die ihn dazu führt, ipse Christus zu sein und in persona Christi capitis zu handeln, vor allem in der Eucharistiefeier und bei der Spendung des Bußsakramentes. „Eine geliehene Erhabenheit – so sagte der heilige Josefmaria -, die vereinbar ist mit meiner eigenen Niedrigkeit. Ich bitte Gott, den Herrn, er möge uns allen, die wir Priester sind, die Gnade schenken, heiligmäßig das Heilige zu tun, die Gnade, auch in unserem Leben die Wundertaten seiner Größe widerzuspiegeln.“ (14)

Jeder Christ muss dafür sorgen, dass seine Nachfolge Christi sich in seinem ganzen Verhalten widerspiegelt: in der Familie, im Beruf, in seinen gesellschaftlichen, öffentlichen, sportlichen Tätigkeiten ... Auch im konkreten Dasein des Priesters, in seinem täglichen Leben, muss sich seine besondere Zugehörigkeit zu Christus kundtun. Durch das unauslöschliche Siegel, das er bei der Weihe empfangen hat, ist er 24 Stunden des Tages Priester, nicht nur in den Augenblicken, in denen er sein Amt ausdrücklich ausübt. Es ist angebracht, dies in der gegenwärtigen Epoche, in unserer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft, vor Augen zu haben. Denn es verschwinden langsam so viele Zeichen, die unsere Vorfahren an den Primat Gottes und des übernatürlichen Lebens erinnerten. Das sage ich nicht aus Pessimismus, sondern um alle zu ermutigen, die christlichen Wurzeln unseres Volkes nicht zu verlieren, die sich auch in frommen Bräuchen, in kulturellen Elementen der Kunst und der Sitten zeigen.

Um die Heiligkeit zu erreichen, muss der Priester Schrittt für Schritt unter der Führung des Heiligen Geistes voranschreiten. Der Heilige Geist nämlich ist es, der in den Adoptivsöhnen Gottes die Wesenszüge Jesu Christi herausbildet. In diesem Prozess, der das ganze Leben andauert, ist zusammen mit dem übernatürlichen Wirken der Gnade die fügsame Antwort des Menschen nötig.

Ohne ausdauerndes Bemühen um die tägliche Übung der Tugenden gibt es keine Heiligkeit. Welches sind nun die guten Gewohnheiten, die die Heiligkeit des Priesters ausmachen? Es sind dieselben wie bei den übrigen Gläubigen, da alle zum gleichen Ziel, zur Vereinigung mit Gott berufen sind und über die gleichen Mittel verfügen, diese zu erreichen. Der Unterschied besteht in der Art der Ausübung der Tugenden. Beim Priester muss alles priesterlich getan werden, d. h. dass er immer den Zweck seiner besonderen Berufung or Augen hat, seinen Dienst an den Seelen. Wir müssen dem Beispiel des Herrn folgen, der von sich selbst sagte: Pro eis ego sanctifico meipsum, ut sint et ipsi sanctificati in veritate (Joh 17,19).

Es ist unmöglich, die priesterlichen Tugenden in dieser kurzen Zeit vollständig aufzulisten. Ich werde mich darauf beschränken, diejenigen aufzuzeigen, die ich als besonders wichtig in Lehre und Beispiel des heiligen Josefmaria betrachte.

Die menschlichen Tugenden des Priesters

Ich benutze das Bild des Hausbaus – wir kennen es aus der Bibel. Beim Hausbau sucht man zuerst einen soliden Baugrund. Auf diese Notwendigkeit weist Christus selbst hin, als er am Schluss der Bergpredigt von dem klugen Mann spricht, der sein Haus auf Fels baute, so dass Stürme und Wolkenbruch nichts gegen dieses Haus ausrichten konnten (vgl. Mt 7,24-25).

Im geistlichen Leben des Christen wird der solide Baugrund des geistlichen Gebäudes durch die menschlichen Tugenden gebildet, denn die Gnade setzt immer die Natur voraus. Man darf nicht vergessen, dass der Priester durch den Empfang der Weihe nicht aufhört, Mensch zu sein. Im Gegenteil, genau deshalb, weil er aus den Menschen ausgewählt und zum Mittler zwischen den Menschen und Gott bestellt wurde (s. Hb 5,1), muss er für das menschliche Rüstzeug sorgen, das ihn befähigt, den Seelen besser zu dienen.

Msgr. Álvaro del Portillo schreibt, dass „diese Bildung die Gesamtheit der menschlichen Tugenden umfasst, die sich direkt oder indirekt in die vier Kardinaltugenden integrieren. Es ist das unerlässliche nicht-kirchliche kulturelle Rüstzeug, damit der Priester mit Leichtigkeit – und selbstverständlich mit Hilfe der Gnade – sein Apostolat ausüben kann.“15 Mein Vorgänger an der Spitze der Prälatur Opus Dei unterstreicht die hauptsächlichen Motive, die den Priester anspornen müssen, diese Tugenden zu erlangen und zu entwickeln: „Erstens sind sie als Teil des asketischen Kampfes normalerweise nötig, um die Vollkommenheit zu erreichen; zweitens sind sie das Mittel, um mit größerer Wirksamkeit das Apostolat auszuüben.“ (16)

In Leben und Lehre des heiligen Josefmaria wird dieser grundlegende Aspekt der christlichen Bildung und besonders der priesterlichen Bildung hervorgehoben. Es gibt zahlreiche Beweise für diese Aussage, und zwar von seiner Kindheit bis zu seinem Tod im Jahre 1975. Die Zeugen seiner pastoralen Arbeit stimmen darin überein, dass sie ihn als einen in Christus verliebten Priester beschreiben, der sich dem Dienst an den Seelen hingab, der eine starke und harmonische Persönlichkeit besaß, in der das Natürliche eng mit dem Übernatürlichen zur Einheit des Lebens verschmolz. Was seine Lehre zu diesem Punkt betrifft, so ist die Homilie „Natürliche Tugenden“, die im Sammelband Freunde Gottes erschienen ist ein Musterbeispiel. Das theologische Fundament für die Notwendigkeit, die natürlichen Tugenden zu pflegen, liegt in dem tiefen Sinn der Menschwerdung des Wortes, das ganz Mensch und gleichzeitig ganz Gott ist. In dieser Homilie analysiert er die Haupttugenden, die der christliche Laie wie auch der Priester üben müssen: Starkmut, Gelassenheit, Geduld, Arbeitsamkeit, Ordnung, Fleiß, Wahrhaftigkeit, Liebe zur Freiheit, Genügsamkeit, Mäßigkeit, Kühnheit, Großmut, Treue, Optimismus, Freude.

Auf dem Fundament der Demut

„Die Demut ist das Fundament unseres Lebens, sie ist Mittel und Bedingung der Wirksamkeit“,(17) schreibt der heilige Josefmaria im Einklang mit der geistlichen Tradition des Christentums. Offensichtlich bezieht er sich auf das moralische Fundament, denn das theologische – wie er mit seiner Haltung und seinen Lehren verkündete – zentriert sich auf den theologischen Glauben, der uns dazu führt, den Sinn unserer Gotteskindschaft in Christus zu verinnerlichen. Diese Überzeugung hebt vor den Menschen die tiefstee Wahrheit über uns selbst hervor, und deshalb fördert sie notwendigerweise die Demut, die nichts anderes widerspiegelt als jenes „in der Wahrheit wandeln“ der heiligen Theresia von Avila: im Glauben voranschreiten.

Mit einem starken Glauben als Grundlage für das Verhalten des Christen entgeht man dem Irrtum, die Demut als mangelnde Entschlossenheit oder Initiative darzustellen, so als sei es ein Verzicht auf die Ausübung von Rechten, die Pflichten sind. Nichts liegt dem Denken des Gründers des Opus Dei ferner. „Demütig sein – so sagte er einmal – bedeutet nicht, schmutzig oder schlampig einherzugehen, auch nicht, uns gleichgültig allem gegenüber zu zeigen, was in unserer Umgebung geschieht, und fortwährend auf unsere Rechte zu verzichten. Noch viel weniger bedeutet es, sich in der Öffentlichkeit selbst lächerlich zu machen. Es kann keine Demut geben, wo es Komödie und Heuchelei gibt, denn Demut ist Wahrheit.“ (18)

Diese Tugend ist im christlichen Leben so wichtig, dass der heilige Josefmaria versicherte: „So wie man die Lebensmittel mit Salz würzt, damit sie nicht fade schmecken, so müssen wir in unserem Leben immer die Demut üben.“ (19). Er kam auf einen klassischen Vergleich zurück: „Macht es nicht so wie die Hennen, die, kaum dass sie ein einziges Ei gelegt haben, das ganze Haus mit ihrem Gackern erfüllen. Es gilt zu arbeiten, seine intellektuelle oder manuelle, immer apostolische Arbeit zu verrichten, und hohe Ideale und weitreichende Träume zu haben, Gott zu dienen und gleichzeitig unbemerkt zu bleiben. Der Herr wird sie Wirklichkeit werden lassen.“ (20)

Kommen wir zurück auf das theologische Fundament, d. h. den Glauben, und mit dem Glauben die Hoffnung. Es gibt keine Heiligkeit, wenn sich nicht ein Glaube entwickelt, der sich auf die gesamte Wirklichkeit bezieht, und wenn man nicht als die Kraft, die die irdische Pilgerschaft antreibt, die Tugend der Hoffnung pflegt. Vom ersten Augenblick an war sich der Gründer des Opus Dei klar bewusst, dass die Aufgabe, die Gott ihm anvertraut hatte, seine Kräfte bei weitem überstieg. Deshalb nahm er ständig Zuflucht zu den einzigen tauglichen Mitteln, die göttliche Allmacht in unsere Reichweite zu holen: das Gebet und das Opfer. Es gibt unzählige Zeugnisse, die dokumentieren, wie er in den Krankenhäusern und Randvierteln von Madrid um Bittgebete und Aufopferung der Schmerzen vieler verlassener Menschen gebettelt hat, als ob es sich um einen Schatz handele, und zwar von denjenigen, denen er den Trost und die Ermutigung seines priesterlichen Beistands brachte.

Wie wichtig sind für uns Priester Glaube und Hoffnung! Diese Tugenden müssen immer weiter wachsen. Wir sind mit einer Arbeit befasst, bei der die übernatürlichen Mittel die wichtigsten und allein notwendigen sind (vgl. Lk 10,42). Es bedarf wahrer Wunder, um die Seelen zu Gott zu führen. Trotzdem „hört man zuweilen sagen, heute gäbe es weniger Wunder als früher. Ist es nicht vielleicht so, dass es heute weniger Menschen gibt, die aus dem Glauben leben?“ (21) Jene Worte des heiligen Josefmaria hallen in unseren Ohren wie ein Warnsignal wider, ein Ruf an unser Verantwortungsbewusstsein, denn der Priester muss vor allem ein Mann des Glaubens und der Hoffnung sein. „Durch den Glauben - schreibt der Papst - hat er Zugang zu den unsichtbaren Gütern, die das Erbe der vom Sohn Gottes vollbrachten Erlösung der Welt darstellen.“(22)

Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht (Hebr 11,1). „Im beständigen täglichen Gebet, sei es leicht oder in Trockenheit verrichtet, erhält der Priester wie jeder Christ von Gott (...) neues Licht, Stärkung im Glauben, und feste Hoffnung für die übernatürliche Wirksamkeit seiner pastoralen Tätigkeit. Dort erneuert sich die Liebe. Mit einem Wort: das Gebet ist der Antrieb, um in dieser Arbeit auszuharren und die Wurzel der tatsächlichen Wirksamkeit der Arbeit selbst.“ (23) In diesen Worten von Msgr. del Portillo, dem engsten Mitarbeiter des Gründers des Opus Dei während vieler Jahre, können wir eine feine Anspielung auf das geistliche Leben des heiligen Josefmaria entdecken, der von Gott die Gnade empfing, inmitten von Aufgaben, die ihn sehr in Anspruch nahmen, beschaulich zu sein. Don Álvaro fügt hinzu: „Ohne Gebet und ohne Bemühen um ausdauerndes Gebet mitten in allen Beschäftigungen ist keine Verähnlichung mit Christus möglich, insofern diese eine Aufgabe darstellt, die wiederum auf dem Geschenk des Priestertums basiert. Mehr noch, ich wage zu sagen, dass ein Priester, der nicht betet, dem Volk, das ihn sieht und hört, nicht als Orientierung dient. Wenn er wird durch das Bild, das er von Christus, das Vorbild aller, gibt nicht geradezu verfälscht, wird er es zumindest unklar darstellen, und es wird niemanden anziehen oder Orientierung geben.“ (24)

Liebe zu den Seelen

Wir kommen nun zu der Tugend, die das christliche Leben am meisten bestimmt und charakterisiert. Es ist die Nächstenliebe, die beim Priester eine besondere Ausprägung haben muss: die Liebe des Hirten zu den Seelen. Kurz gesagt, sie kommt aus dem Bewusstsein, Stellvertreter Jesu Christi zu sein, des obersten Hirten (1 Petr 5,4) der Seelen, der sein Leben für seine Schafe gegeben hat (vgl. Joh 10,11). Diese übernatürliche Überzeugung muss den Priester anspornen, sich bei der Ausübung seines Dienstes bis zum Äußersten zu verausgaben, denn die Liebe Christi drängt ihn (vgl. 2 Kor 5,14). Diese Liebe zu den Seelen, die stark ist und durch die Eucharistie und durch das Gebet ständig neue Kraft erhält, wird seinen Dienst fruchtbar werden lassen.

Hierfür scheint die Gestalt des heiligen Josefmaria ein sehr anschauliches Beispiel zu sein. Von Beginn seiner Berufung an scheute er keine Arbeit im Dienst an den Seelen. Vorher habe ich bereits kurz auf seine Wege durch die Randbezirken von Madrid in den 20er und 30er Jahren hingewiesen. Er war dort in ständigem Kontakt mit Armut und Krankheit. Er stand den Sterbenden bei, ermutigte die Kranken und unterwies Kinder und Erwachsene im Glauben. Da ich es mit eigenen Augen gesehen habe, kann ich versichern, dass er sich so bis zum letzten Tag seines Lebens verausgabte. Er dachte immer an die anderen, ob sie weit entfernt oder nahe waren, bekannt oder unbekannt. Er betete und opferte sich freudig für alle Seelen ohne Ausnahme.

Die besondere Erhebung des Menschen durch Gott, die sich in der Priesterweihe verwirklicht, macht, dass der Priester sich dem Dienst und der Liebe Christi vollständig verpflichtet und ganz widmet. Der Reichtum dieses Geschenkes hat eine solche Bedeutung, dass man in einem besonders tiefen Sinn die Worte des Apostels anwenden kann: mihi vivere Christus est (Phil 1,21), vivo autem iam non ego, vivit vero in me Christus (Gal 2,20). Andererseits hat die empfangene Sendung einen universalen Charakter. Der Priester ist als lebendiges Werkzeug Christi in die Welt gesandt, Christus, der sich für uns hingegeben hat, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen ... und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun (Tt 2,14).

Die sakramentale Identifizierung mit Christus und die empfangene Sendung sind die Begründung für die charakteristischen Forderungen der pastoralen Liebe und geben dem Priester eine besondere Stellung im Geheimnis Christi und der Kirche. Indem er die Vertiefung der Lehre zu diesem Thema durch das II. Vatikanische Konzil kommentiert, schreibt Bischof Álvaro del Portillo: "Wenn man bedenkt, dass die Fleisch gewordene Liebe unter den Menschen keinerlei menschliche Bindung einging – so gerecht und edel diese auch sei –, die irgendwann einmal die vollkommene Widmung an seine Hirtenaufgabe hätte erschweren oder schmälern können, versteht man gut, wie angebracht es ist, dass der Priester genauso handelt. Er verzichtet freiwillig – durch den Zölibat – auf etwas in sich Gutes und Heiliges, um sich leichter und mit ganzem Herzen mit Christus zu verbinden, und sich durch Ihn und mit Ihm dem Dienst an Gott und den Menschen mit größerer Freiheit zu widmen."(25)

Im priesterlichen Zölibat findet die vollkommene Hingabe seines Lebens, das der Priester freiwillig Christus und der Kirche anbietet, ihre angemessene Gestalt. Aus dieser Sicht versteht man die Worte des heiligen Josefmaria bei einem familiären Beisammensein im Jahr 1969: „Wenn der Priester echt priesterlich fühlt, wenn er ein Mensch mit innerem Leben ist, dann wird er sich niemals allein fühlen. Niemand wird ein so verliebtes Herz wie er haben können! Er ist ein Mensch der Liebe, er ist unter den Menschen der Vertreter der Liebe, die Mensch wurde. Er lebt durch Christus, für Christus, mit Christus und in Christus. Es ist eine göttliche Wirklichkeit, die mich bis ins Innere bewegt, wenn ich täglich, den Kelch und die Hostie in den Händen haltend und sie erhebend, langsam die Worte des Kanons wiederhole, und sie auskoste: Per Ipsum, et cum Ipso et in Ipso ... Durch Ihn und mit Ihm und in Ihm und für Ihn und für die Seelen lebe ich. Von seiner Liebe und für sie lebe ich trotz meiner persönlichen Erbärmlichkeiten. Trotz dieser Erbärmlichkeiten, vielleicht wegen ihnen, ist meine Liebe eine Liebe, die sich jeden Tag erneuert.“ (26)

Priesterliche Brüderlichkeit

Der heilige Josefmaria, der alle Menschen ohne Ausnahme liebte, liebte seine Brüder im Priesteramt auf bevorzugte Art und Weise. Ich habe schon die Freude erwähnt, die er hatte, wenn er mit ihnen zusammen sein konnte, um von ihrer Hingabe zu lernen, die oft heroisch war. Gleichzeitig wollte er ihnen etwas von seiner persönlichen Erfahrung weitergeben. Jedoch möchte ich es nicht unterlassen, an seine konkrete Sorge um die Priester zu erinnern, besonders während der Jahre, die er in Spanien lebte. In den 40er Jahren zum Beispiel hielt er auf Wunsch der Diözesanbischöfe häufig Exerzitien für den Klerus. Dieser hatte nach der schrecklichen Prüfung der religiösen Verfolgung der vergangenen Jahre die geistliche Hilfe ungemein nötig. Der heilige Josefmaria widmete sich dieser Aufgabe voll und ganz und betreute manchmal mehr als tausend Priester in einem einzigen Jahr.

Bis zum Ende seines Lebens bestürmte er den Herrn, dass Gott der Kirche viele Priesterberufungen schenken möge. Persönlich bereitete er eine große Anzahl junger Menschen, die eine solche Berufung verspürten, auf das Priestertum vor. Er spornte die gläubigen Laien an, inständig den Herrn der Ernte zu bitten, viele Arbeiter auf sein Feld zu senden (vgl. Mt 9,37-38). Für den heiligen Josefmaria wird die übernatürliche Lebenskraft einer Diözese an der Zahl der Priesterberufungen gemessen, für die in erster Linie die Priester selbst verantwortlich sind.

Wie traurig machte es ihn, wenn er auf jemanden traf, dem diese Arbeit nicht am Herzen lag. Eine solche Sorglosigkeit ist ein klares Zeichen dafür, dass dieser Priester mit seiner Berufung unzufrieden ist. Mir kommt seine schnelle Antwort ins Gedächtnis auf eine Frage, die die Ursachen für den Mangel an Priesterberufungen betraf: „Vielleicht ist der erste Grund, dass wir Priester den Schatz, den wir in Händen haben, oft nicht richtig bewerten. Deshalb sind wir nicht von dem Wunsch beseelt, ihn an die jungen Leute weiterzugeben. Die Seminare würden voll sein, wenn wir Priester unser Priestertum mehr lieben würden.“ (27)

Seine Sorge um die Heiligkeit des Klerus reichte lange Zeit zurück. Er war davon überzeugt, dass das erste Apostolat der Priester den Priestern selbst gelten muss. Man darf sie in ihrer Mühsal nicht allein lassen, muss ihre Freuden teilen, sie bei Schwierigkeiten ermutigen, in Zeiten des Zweifels stärken ... Er hatte in seiner Seele jene Worte der heiligen Schrift wie mit Feuer eingebrannt: Frater, qui adiuvatur a fratre, quasi civitas firma (Spr 18,19): Der Bruder, dem sein Bruder hilft, ist so stark wie eine ummauerte Stadt.

Sein Eifer, seinen Brüdern im Priesteramt zu helfen, wuchs so sehr, dass er sich im Jahre 1950, als das Opus Dei schon die definitive Anerkennung des Heiligen Stuhls erhalten hatte, mit dem Gedanken trug, sich vollständig den Diözesanpriestern zu widmen. Nachdem er schon dem Herrn das Opfer Abrahams angeboten hatte – denn er war entschlossen, das Werk zu verlassen, wenn es nötig gewesen wäre –, zeigte ihm der Himmel, dass dieses Opfer nicht nötig war. Im Geist des Opus Dei, nach dem die Christen sich mitten in der Welt, jeder in seiner eigenen Beschäftigung oder Aufgabe, heiligen können, gab es auch für die Diözesanpriester diesen Ort der Begegnung mit Gott. Es genügte, dass sie in voller Gemeinschaft mit ihrem eigenen Ordinarius und mit dem Presbyterium der Diözese die Heiligkeit in der Ausübung ihrer priesterlichen Pflichten suchten, indem sie dem Diözesanbischof mit besonderer Wertschätzung begegneten und tief mit ihren Brüdern im Priesteramt verbunden waren. Die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz, der schon die in das Opus Dei inkardinierten Kleriker angehörten, öffnete ihre Pforten, um Diözesanpriester, die diesen besonderen göttlichen Ruf erhielten, aufzunehmen.

Heute, in dieser Region La Rioja, wo die Arbeit des Opus Dei seit Jahren wunderbar in der Diözese integriert ist, erhebe ich mein Herz in Dankbarkeit zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit für die reichen Früchte, die auch die Priesterliche Gesellschaft vom Heiligen Kreuz gebracht hat und weiter bringen wird. Damit dient sie der Weltkirche und den Teilkirchen. Alles ist Frucht der Gnade, die Gott uns durch seine heiligste Mutter gewährt, und auch Frucht der Gnade, der der heilige Josefmaria vor 85 Jahren vollkommen entsprach, als er in Logroño den Ruf zum Priestertum erhielt.

Ansprache von Bischof Javier Echevarría, dem Prälaten des Opus Dei, beim akademischen Akt zu Ehren des heiligen Josefmaria im Priesterseminar der Diözese von Logroño, 18.1.2003.

Veröffentlicht in den Unterlagen des Kongresses „Die Größe des Alltags“, Bd. 10