Die Kalixtus-Katakombe

Zu Beginn wurden Christen und Heiden gemeinsam begraben. Ab dem 2. Jahrhundert begann die Kirche dank der Stiftungen einiger wohlhabender Christen, eigene Totenstädte zu besitzen. Es waren Orte, wo die Leiber in Erwartung der Auferstehung ruhten. So entstanden die christlichen Katakomben.

Die Krypta der Päpste

Durch die Verfolgung, die 64 n. Chr. von Nero angeordnet wurde, erlitten viele Christen das Martyrium. Es war eine harte Prüfung für die junge Kirche von Rom, die sich zudem von diesem Moment an gegen eine schreckliche Verleumdungskampagne unter dem Volk verteidigen mußte. Da sie den Kaiserkult verweigerten, wurden die Christen als Atheisten, als Gefahr für die Einheit des Reiches und als Feinde des Menschengeschlechts bezeichnet; man schrieb ihnen die schlimmsten Dinge zu: Kindstötungen, Kannibalismus und moralische Verirrungen jeder Art. Tertullian (160-220) beschrieb die Lage so: Es gibt kein öffentliches Unglück noch sonst ein Übel, welches das Volk heimsucht, für das nicht die Christen beschuldigt werden. Wenn der Tiber steigt und über die Ufer tritt, wenn der Nil nicht steigt und die Felder nicht bewässert, wenn der Himmel keinen Regen gibt, wenn die Erde bebt, wenn es eine Hungernot oder Pest gibt, ertönt sofort derselbe Ruf: die Christen vor die wilden Tiere! (1)

Bis zum Jahr 313, das mit dem Mailänder Edikt Frieden brachte, lebte die Kirche unter der Verfolgung. Sicher verliefen diese Verfolgungen nicht immer mit derselben Intensität, und abgesehen von konkreten Zeitabschnitten konnten die Christen ein normales Leben führen; aber sie waren des möglichen Martyriums immer gegenwärtig, denn es genügte die Anklage eines Feindes, damit ein Prozeß angestrengt wurde. Wer sich bekehrte, war sich vollkommen bewußt, daß das Christentum eine radikale Option war, die den ehrlichen Wunsch, heilig zu werden, und das Bekenntnis des Glaubens – wenn nötig – bis zur Hingabe des Lebens einschloß. Das Martyrium wurde unter den Christen als ein Privileg, als eine besondere Gnade Gottes betrachtet, als eine Möglichkeit, Christus in seinem Tod vollkommen ähnlich zu werden. Gleichzeitig trieb sie das Bewußtsein der eigenen Schwäche an, Gott um Hilfe zu bitten, um gegebenenfalls den Tod anzunehmen, und es ließ sie jene, die die Palme des Martyriums erhalten hatten, verehren. Man kann sich leicht vorstellen, wie die römische Gemeinde bewegt war, wenn sie die Einzelheiten vom heiligen Tod eines ihrer Glaubensbrüder hörte. Diese Erzählungen waren Trost und Stärke für die Gläubigen und zu gleicher Zeit der Same neuer Bekehrungen. Die Reliquien der Märtyrer wurden mit Ehrfurcht begraben, und diese wurden vom gleichen Augenblick an als Fürsprecher angerufen.

Von alters her ordnete das römische Gesetz an, daß die Totenstädte – so hießen die Friedhöfe auf griechisch – außerhalb der Stadtmauern liegen mußten. Einen Toten begräbt und verbrennt man nicht innerhalb der Stadt. (2) Die Römer pflegten die Leichname zu verbrennen, aber es gab auch Familien, die die Gewohnheit hatten, ihre Angehörigen auf eigenen Grundstücken zu begraben, eine Sitte, die sich aufgrund des christlichen Einflusses später durchsetzte.

Zu Beginn wurden Christen und Heiden gemeinsam begraben. Ab dem 2. Jahrhundert begann die Kirche dank der Stiftungen einiger wohlhabender Christen, eigene Totenstädte zu besitzen, die die Gläubigen nach und nach Friedhöfe – Zementerien nach dem griechischen koimáo, schlafen – nannten. Es waren Orte, wo die Leiber in Erwartung der Auferstehung ruhten. So entstanden die christlichen Katakomben, die nicht, wie man manchmal denkt, Verstecke oder Versammlungsorte für liturgische Feiern waren, sondern Begräbnisstätten, wo die sterblichen Überreste der Glaubensbrüder aufbewahrt wurden. Ursprünglich bezog sich der Begriff Katakombe auf das Gebiet der Via Appia, das sich zwischen dem Grab von Cecilia Metella und der Stadt Rom befindet. Mit der Zeit wurde er verallgemeinert und bezeichnete jeden christlichen unterirdischen Friedhof. In den ersten Jahrhunderten wurden dort viele Märtyrer beerdigt. Zusammen mit den Gräbern von Petrus und Paulus entwickelten sie sich zu Orten der Erinnerung und der Verehrung, die die römischen Christen gerne aufsuchten. Wie oft mögen sie dorthin gegangen sein, um Gott auf die Fürsprache jener hin um Hilfe anzurufen, die das Evangelium mit ihrem Blut verkündet hatten! Aus Verehrung wollten die Gläubigen zusammen mit den anderen Mitgliedern der christlichen Gemeinde und, wenn möglich, in der Nähe eines Apostels oder eines Märtyrers beerdigt werden und die Auferstehung der Toten erwarten.

Auf der Via Appia

Die Kalixtus-Katakombe befand sich vor den Toren Roms auf der Via Appia. Im zweiten Jahrhundert begann man, dieses Gebiet für Bestattungen zu nutzen. Einige seiner Eigentümer, die sicher Christen waren, ermöglichten ihren Brüdern im Glauben, dort beerdigt zu werden. Damals trug man die junge Märtyrin Cäcilia zu Grabe. Vom Augenblick ihres Todes an wurde sie schon verehrt. Cäcilia, die schon als junger Mensch zum christlichen Glauben fand, gehörte einer Patrizierfamilie an. Sie wurde mit Valerian verheiratet, den sie auch dem Glauben näherbrachte, so daß die beiden beschlossen, jungfräulich zu leben. Kurz darauf wurde Valerian, der die Leichname der Märtyrer begrub, entdeckt und enthauptet. Auch Cäcilia denunzierte man bei den Behörden. Als man versuchte, sie in den Dampfbädern ihres Hauses zu ersticken, blieb sie lebendig. Daraufhin verurteilte man sie zum Tod durch Enthauptung. Nach dem römischen Gesetz konnte der Scharfrichter dreimal mit dem Schwert zuschlagen. Cäcilia erhielt drei Schwerthiebe, starb aber nicht sofort. Auf dem Boden ausgestreckt hatte sie noch die Kraft, drei Finger der rechten und einen Finger der linken Hand auszustrecken und so bis zu ihrem letzten Atemzug ihren Glauben an den einen und dreifaltigen Gott zu bezeugen. Als man 1599 die sterblichen Überreste der hl. Cäcilia untersuchte, befand sich ihr unversehrter Leichnam noch genau in dieser Stellung. Maderno machte sie durch eine Skulptur unsterblich. Heute befindet sich diese in der Kirche Santa Cecilia in Trastevere, ihrem ehemaligen Wohnhaus, wo die Gebeine der Heiligen seit dem 9. Jahrhundert ruhen. Eine Kopie dieser Skulptur ist in der Kalixtus-Katakombe, wo sie zu Anfang beerdigt worden war.

Die Krypta der hl. Cäcilia

Im dritten Jahrhundert wird dieser Friedhof Papst Ceferino (199-217) zum Geschenk gemacht, der seine Pflege dem Diakon Kalixtus anvertraut. So wird dieser Friedhof als erster Eigentum der Kirche. Schon ein Jahrhundert später liegen dort schon die Gebeine von sechzehn Päpsten, die fast alle als Märtyrer gestorben sind. Kallixtus arbeitete fast zwanzig Jahre in diesen Katakomben, bevor er selbst Nachfolger von Papst Ceferino wurde. Während dieser Zeit erweiterte und verbesserte er die Anlage, besonders die Krypta der Päpste und die der hl. Cäcilia.

Ein weiterer Märtyrer, dessen Zeugnis die christliche Gemeinschaft erschütterte, ist der hl. Tarsitius. Im 4. Jahrhundert ließ Papst Damasus auf sein Grab das genaue Datum seines Martyriums einmeißeln. Es war der 15. August 257, während der Verfolgung durch Valerian. Tarsitius war ein junger Mann, der als Akolyth half, die Kommunion unter den eingekerkerten Christen zu verteilen. An jenem 15. August wurde er aufgespürt, festgenommen und bedroht, damit der die konsekrierten Hostien herausgäbe. Tarsitius weigerte sich und wollte lieber sterben als die Entweihung des Leibes Christi zuzulassen.

Auch nach dem konstantinischen Frieden blieben die Katakomben Begräbnisstätten. Sie wurden auch zu Wallfahrtsorten. Nach der Plünderung Roms durch Alarich im 5. Jahrhundert wurden die Gebiete außerhalb der Stadt immer unsicherer und daher weniger besucht. Im 9. Jahrhundert faßt man den Entschluß, die Gebeine der Heiligen in die Kirchen innerhalb der Stadt zu verlegen; und im Mittelalter geraten die Katakomben immer mehr in Vergessenheit; niemand geht dorthin und bald kennt man die Lage der einzelnen nicht mehr.

Ein Grab aus dem 4. Jh.

Ab dem 15. Jahrhundert erwacht ein neues Interesse an den Katakomben, aber erst im 19. Jahrhundert werden sie wieder als heiliger Ort und Schatz der Christenheit geschätzt. Giovanni Battista De Rossi, der Begründer der modernen christlichen Archäologie und Entdecker der Kalixtus-Katakombe, erzählt in seinem Memoiren, wie er Papst Pius IX. überzeugte, die Ausgrabungen zu besuchen. Als sie zur Krypta der Päpste kamen, erklärte De Rossi ihm die Inschriften und zeigte ihm den Stein, den im 4. Jahrhundert der hl. Damasus mit den Namen der Nachfolger des hl. Petrus, die als Märtyrer starben und dort begraben wurden, aufstellen ließ. Da erst wurde Pius IX. bewußt, wo er sich befand. Mit Tränen in den Augen kniete er nieder und verharrte eine Zeitlang im Gebet. Es war das erste Mal seit fast tausend Jahren, daß ein Papst wieder seinen Fuß an diesen durch das Blut der Märtyrer geheiligten Ort setzte.

4. Juli 1946

Kurz nachdem er nach Rom gekommen war, gab der heilige Josefmaria zu verstehen, daß er gerne in den Katakomben beten würde.

Jahre zuvor hatte er im Konsulat von Honduras zu seinen Söhnen gesagt: Seht ihr, daß wir nicht allein sind? Wie die ersten Gläubigen in der Ruhe der römischen Katakomben können wir ausrufen: Dominus illuminatio mea et salus mea, quem timebo? (Ps 26, 1); der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollte ich fürchten?. Nur so können wir uns erklären, was jene ersten Christen geleistet haben. Ohne seltsame Dinge zu tun, aber mit festem Vertrauen auf Gottes Hilfe gingen sie überall hin: auf den Marktplatz, aber auch in die Paläste bis hin zum Haus des Kaisers. (3)

Am 4. Juli 1946 besuchte der heilige Josefmaria frühmorgens die Kalixtus-Katakombe. Der Gründer des Opus Dei feierte die heilige Messe in der Krypta der Päpste und Alvaro del Portillo in der Krypta der hl. Cäcilia. Danach betrachteten sie die Sebastian-Katakombe und die ursprünglichen Apostelgräber.

Von Beginn des Werkes an erklärte der heilige Josefmaria das Leben der Gläubigen des Opus Dei gerne durch das Vorbild und Beispiel der ersten Christen. Nicht umsonst nannte er sie unsere Vorgänger im alten und zugleich neuen Apostolat des Werkes (4). Man schätzt die Zahl der christlichen Bestattungen in der Kalixtus-Katakombe auf ungefähr fünftausend. Die meisten Gräber sind schlicht und haben nur eine einfache Abbildung, um sie zu unterscheiden. Vom 4. Jahrhundert an, also nach der Zeit der Verfolgungen, gibt es häufiger Inschriften auf den Steinen. So wurde z.B. dem Namen, der als ein Charakteristikum des Lebens jeder Person angegeben war, der Beruf hinzugefügt. Es gab dort Bäcker, Schreiner, Schneider, Maler, Lehrer, Ärzte, Anwälte, Beamte, Soldaten..., ein Spiegelbild der vielfältigen Berufe, die die Christen ausübten. Sie führten also, wie der hl. Augustinus sagt, ein normales Leben mitten unter den anderen Menschen, waren aber geleitet durch einen anderen Glauben, eine andere Hoffnung und eine andere Liebe (5).

Wie sehr mag es dem heiligen Josefmaria gefallen haben, an jene Vorgänger im Glauben zu denken, die mitten in der Welt nach der Heiligkeit strebten und in der Gesellschaft wie ein Sauerteig wirkten. Seine Liebe zu ihnen und ihre Verehrung leuchten häufig in den Beispielen seiner Verkündigung durch: Ich habe kein anderes Rezept für die Wirksamkeit als das, welches die ersten Christen hatten, denn es gibt kein anderes, meine Kinder. (6)

Bild des Guten Hirten (Kalixtus-Katakombe)

Im Laufe seines Lebens bezog sich der Gründer des Opus Dei viele Male auf Malereien oder Zeichnungen in den Katakomben, um Themen wie die Liebe zur Muttergottes, die Brüderlichkeit oder die Verbundenheit mit dem Papst zu illustrieren, die bereits von den Christen der ersten Jahrhunderte plastisch bezeugt wurden. Wenn es jedoch ein Bild von den ersten Christen gibt, das ihm besonders gefiel, so müßte man vom Guten Hirten sprechen.

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