Die Kirche Santa Croce in Gerusalemme

In dieser Kirche werden drei Partikel des Kreuzes und das INRI, einer der Nägel und einige Dornen aus der Spottkrone aufbewahrt. Es ist nur natürlich, dass dieser Ort für die Christen ein Pilgerziel ist. Im August 1946 besuchte der hl. Josefmaria die Basilika.

Die Fassade der Kirche

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Bei den Juden war es verboten, die Verurteilten auf dem allgemeinen Friedhof zu begraben, und das war einer der Gründe, warum man den Leichnam Jesu in ein Einzelgrab legte, das von Josef von Arimathäa zur Verfügung gestellt worden war (vgl. Mt 27, 60). Auch die Folterwerkzeuge, die für die Hinrichtungen benutzt wurden, galten als unrein und wurden deshalb vergraben oder in irgendein Loch in der Erde geworfen, so daß sie außer Reichweite waren.

Nicht weniger schimpflich als diese Werkzeuge muß für die Einwohner Jerusalems der Golgotahügel gewesen sein, wo man Christus kreuzigte. Dies kann man auch aus dem finsteren Klang seines lateinischen Namens heraushören: locus calvariae, die Schädelstätte. Nach der Auferstehung des Herrn rief zweifellos in der Stadt die Tatsache Überraschung hervor, daß die Christen häufig zu diesem trostlosen Platz gingen, um sich auf die Erde zu knien, die vom Blut Christi getränkt worden war und nahe bei der Vertiefung zu beten, in dem das Kreuz gestanden hatte; sie kamen auch, um den Felsen zu küssen, in dem sein Leichnam geruht hatte.

Möglicherweise wurde diese Sitte eine Zeitlang unterbrochen wegen der Verfolgungen und anderer Wechselfälle der Zeiten, wie die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 unserer Zeitrechnung. Trotzdem existierte sie im 2. Jahrhundert weiter, denn Kaiser Hadrian (117-138) ließ die Vertiefung zwischen dem Golgota und dem Heiligen Grab mit Erde ausfüllen und auf diesem neuen Grund zwei Tempel bauen. Einer, der auf dem Grab, wurde dem Juno, ein weiterer auf dem Golgota der Venus geweiht. Man weiß, daß Hadrian am Ende seines Lebens sehr gegen das Christentum eingestellt war, und es gilt als ziemlich sicher, daß er mit dem Bau dieser Tempel das Ziel verfolgte, die irdischen Spuren der Erlösung für immer auszulöschen.

Die ersten kirchlichen Geschichtsforscher kommentierten nicht ohne Ironie das Endergebnis dieser Anstrengungen der Heiden. Arme Menschen! – redete sie Eusebius von Cäsarea an. – Sie glaubten, es sei möglich, dem Menschengeschlecht den Glanz der Sonne vorzuenthalten, der sich über die Welt ergossen hatte. Sie verstanden noch nicht, daß man Den nicht unter der Erde versteckt halten kann, Der bereits den Sieg über den Tod errungen hat. (1) Und in der Tat erlaubten diese beiden heidnischen Tempel im 4. Jahrhundert, als die Kirche schließlich in Freiheit leben konnte, mit absoluter Gewißheit den Ort der heiligen Stätten zu lokalisieren. Es genügte, sie niederzureißen und darunter zu graben, um das Heilige Grab und den Gipfel des Golgota zu finden.

Die Reliquien der Passion

Die Auffindung des Heiligen Kreuzes

Kaiserin Helena war diejenige, die den größten Antrieb zur Wiederentdeckung der Leidensstätten gab. Im Jahr 326 reiste sie ins Heilige Land. Die Mutter Konstantins war schon recht alt – sie mußte um die 80 sein –, aber sie wollte nicht sterben, ohne vorher in dem Land gebetet zu haben, wo Christus gelebt hatte, gestorben und auferstanden war.

Wir besitzen nur wenige Daten über die Jugend der heiligen Helena. Vermutlich wurde sie in Bithynien geboren und kam aus einfachen Verhältnissen. Nach dem heiligen Ambrosius war sie stabularia, d.h. Stallwirtin oder Hausmagd, bevor sie 273 mit Constantius Chlorus verheiratet wurde. Aus dieser Verbindung ging im folgenden Jahr Konstantin hervor. Konstantius war ein ehrgeiziger Offizier des römischen Heeres, der 293 die Cäsarenwürde erhielt.

Im selben Jahr verstieß er seine Frau, da sie kein adeliges Blut hatte, und Helena führte ein Schattendasein, bis ihr Sohn Konstantin ihr 306 den Titel einer Kaiserin zuerkannte. Zu diesem Zeitpunkt war Helena schon Christin, und sie nutzte ihre privilegierte Position aus, um Gutes zu tun und unter den Bedürftigen karitativ zu wirken. Außerdem bemühte sie sich um die Ausbreitung und die Würde des gottesdienstlichen Kultes. Ihr Glaube und ihre Frömmigkeit stachen so hervor, daß Ambrosius ihr Lob sang und sagte: Eine große Frau, die dem Kaiser viel mehr gab als sie von ihm erhielt. (2)

Ihrer Fahrt ins Heilige Land verdanken wir den Bau der ersten Geburtskirche in Bethlehem und der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg. Was den Golgota angeht, so waren bei der Ankunft Helenas die heidnischen Tempel gerade zerstört worden, so daß die Kaiserin ihren Traum erfüllen und sich auf das Stückchen Erde, auf dem das Kreuz unseres Erlösers aufgerichtet worden war, hinknien und im Felsengrab beten konnte. Trotzdem bemerkte sie an Ort und Stelle, daß man die wichtigste Reliquie noch nicht gefunden hatte.

Der heilige Ambrosius beschreibt sehr lebendig, wie sie, begleitet von Soldaten und Arbeitern, zwischen den Ruinen der römischen Tempel einhergeht und sich fragt: Hier ist also der Ort der Schlacht, aber wo ist die Siegestrophäe? Ich sitze auf einem Thron und der Herr ist im Staub begraben? Ich bin von Gold umgeben und der Triumph Christi ruht zwischen Ruinen? (...) Ich sehe wohl, Teufel, daß du getan hast, was dir möglich war, damit das Schwert, das dich zunichte gemacht hat, vergraben würde.(3)

Die neuerlichen Ausgrabungen, die die Kaiserin befahl, waren erfolgreich, denn bei diesen Grabungen fand man in der Nähe des Golgota drei Kreuze und auch die Tafel, auf der auf hebräisch, griechisch und lateinisch geschrieben worden war: Jesus von Nazareth, der König der Juden. So kam es zur Auffindung, zur Entdeckung des Heiligen Kreuzes des Herrn, das drei Jahrhunderte lang verborgen gewesen war. Die heilige Kaiserin ließ den größten Teil der Reliquien in Jerusalem zurück, nahm aber drei Splitter des Vera Crux – des Kreuz des Herrn – mit nach Rom, dazu die Tafel mit der Inschrift, einen der Nägel und einige Dornen der Krone, die seine Henker ihm aufs Haupt gedrückt hatten. Sie ließ auch eine große Menge Erde vom Golgota nach Rom transportieren, dazu die Steinstufen der Treppe, über die Christus viermal am Tag seines Leidens hatte gehen müssen, um im Prätorium vor Pilatus zu erscheinen.

Reliquiar mit dem "Titulus Crucis"

Die “Basilica Sessoriana” oder „Sancta Hierusalem“

Es gibt zahlreiche Zeugnisse aus dem 4. und dem 5. Jahrhundert, die beschreiben, wie nach dem Besuch der heiligen Helena in Palästina die Christen die Reliquien der Passion, die in Jerusalem geblieben waren, verehrten. Es wird dies von Eusebius, Rufinus, Teodoreto und dem hl. Cyrill von Jerusalem bezeugt. Egeria, eine Frau, die im 4. Jahrhundert zu den heiligen Stätten pilgerte, spricht von einer Menge von Gläubigen, die schon damals aus dem ganzen christlichen Orient kamen, um an den Feierlichkeiten zu Ehren des Kreuzes teilzunehmen.

Ein anderer Historiker, Sokrates der Scholastiker, griff in der Mitte des 5. Jahrhunderts eine fromme Tradition auf, nach der während der Meeresüberfahrt der Kaiserin auf ihrem Weg von Jerusalem nach Rom ein heftiges Unwetter losbrach. Das Schiff schaukelte auf den Wellen und drohte unterzugehen, bis die heilige Helena den Heiligen Nagel, den sie bei sich hatte, an einem Seil befestigen und über Bord werfen ließ, so daß er das Wasser berührte – und sofort beruhigte sich das Meer.

Dieser Nagel, drei Partikel des Kreuzes und das INRI wurden von Helena sorgfältig in ihrer kaiserlichen Residenz, im „Sessorium“, aufbewahrt. Nach einigen Jahren, vermutlich nach dem Tod seiner Mutter, wünschte Konstantin, daß man dort eine Basilika baue, die als “Basilica Sessoriana” den Namen des Palastes annahm, obwohl sie auch Sancta Hierusalem genannt wurde. Als symbolisches Fundament dieses Baus benutzte man die Erde vom Golgota, die die Kaiserin von Palästina gebracht hatte, und die kostbaren Teile des Heiligen Kreuzes wurden für die Gläubigen in einem goldenen Reliquiar ausgestellt, das mit Edelsteinen geschmückt war.

Von der ursprünglichen konstantinischen Basilika gibt es nur noch wenige Stücke der Außenmauer. Diesem Gebäude folgte im 2. Jahrhundert ein anderes, daß seinerseits durch eine spätbarocke Kirche ersetzt wurde, die 1744 beendet wurde und die man heute noch sehen kann. Trotz dieser architektonischen Änderungen und anderer Schicksalsschläge im Laufe der Geschichte, wie die Invasionen, die Rom zu erleiden hatte, bezeugt eine ganze Sammlung von Schriftstücken, daß die in dieser Kirche verehrten Reliquien dieselben sind, die die heilige Helena vom Heiligen Land mitbrachte.

Es ist nur allzu verständlich, daß dieser Ort sofort ein Anziehungspunkt für die Frömmigkeit der Christen wurde. Sehr früh schon begann man dort die Liturgie des Karfreitag zu feiern. Bis zum 14. Jahrhundert ging der Papst selbst barfuß an der Spitze der Prozession, die von der Lateranbasilika bis zur Basilika des Heiligen Kreuzes zog, um das vexillum crucis, das Banner des Kreuzes, die Standarte der Erlösung, anzubeten.

Das Reliquiar mit zwei Dornen aus der Dornenkrone

Der 4. August 1946

Am 4. August 1946 betete der heilige Josefmaria in der Kirche Santa Croce in Gerusalemme. Er war kaum 2 Monate in Rom, seit dem 23. Juni. Vom Tag seiner Ankunft in der Ewigen Stadt an hatte er, mitten in der Hitze jenes Sommers und trotz der Beschwerden, die ihm der Diabetes verursachte, intensiv an der Vorbereitung der Dokumente gearbeitet, die es vorzulegen galt, um das Decretum laudis zu erhalten. Dieser Schritt bedeutete die Approbation des Werkes als Institution päpstlichen Rechts mit universaler Leitung.

Diese Approbation war dringend, denn sie würde die apostolische Ausbreitung des Opus Dei erleichtern, und so setzte der heilige Josefmaria alles daran, die Zeit zu verkürzen.

Am 4. August hatte der Kardinalpräfekt des entsprechenden Dikasteriums am Nachmittag um viertel vor fünf eine Unterredung mit Alvaro del Portillo. Es ging um die Daten der Vorlage der Unterlagen. In diesem Zusammenhang entschloß sich der Gründer des Opus Dei, am Sonntag nachmittag in der Basilika Santa Croce in Gerusalemme zu beten, während Don Álvaro mit dem Kardinal zusammen war.

Das Gebet des heilige Josefmaria an diesem Nachmittag ist leicht zu erraten: eine vertrauensvolle Bitte voller Glaube; und gleichzeitig eine vollkommene Annahme des Willens Gottes. Dort, vor den Reliquien der Passion, dachte er sicherlich wieder daran, daß dem Kreuz Christi zu begegnen uns sicher sein läßt, daß wir seinen Schritten folgen.

Am Ende wurde das Decretum Laudis mehr als sechs Monate später gewährt, am 24. Februar 1947. Auch wenn er unter dieser Verspätung litt, so nahm der Gründer des Opus Dei sie doch an, ohne den Frieden zu verlieren, vielmehr als eine Gelegenheit, das Kreuz zu umarmen. Und diese Haltung gab er an seine Kinder weiter.

Bleibt immer ruhig und ohne angesichts der Widerwärtigkeiten zu resignieren, wenn sie kommen, angesichts dessen, was die Leute Niederlagen nennen. Der Erfolg oder die Niederlage findet im inneren Leben statt. Erfolg heißt, gelassen das Kreuz Christi anzunehmen, die Arme weit auszubreiten, denn für Jesus wie für uns ist das Kreuz ein Thron, es ist die Verherrlichung der Liebe; es ist der Gipfel der erlösenden Wirksamkeit, um Seelen zu Gott zu führen, sie ihm gemäß unserer laikalen Art zuzuführen: durch unseren Umgang mit ihnen, durch unsere Freundschaft, durch unsere Arbeit, durch unser Wort, durch unsere Lehre, mit Gebet und Abtötung. (5)

Anmerkungen

(1) Eusebius von Cäsarea, De vita Constantini, 3. 16

(2) Hl. Ambrosius, De obitu Theodosii, Nr. 41

(3) Hl. Ambrosius, De obitu Theodosii, Nr. 43-44

(4) Hl. Josemaría Escrivá, Brief 14.2.1944, Nr. 19

(5) Hl. Josemaría Escrivá, Brief 31.5.1954, Nr. 30