Heiligkeit im Alltag - eine unerhörte Botschaft

Am 19. Januar 2002 fand anlässlich des 100. Geburtstages des Gründers des Opus Dei ein feierlicher Gottesdienst im Kölner Dom statt. Beim anschließenden Festakt im nahegelegenen Maternushaus hielt Kurt Malangré, ehemaliger Oberbürgermeister von Aachen und bis 1999 Mitglied des Europaparlaments, eine viel beachtete Festrede, die Rolf Thomas in Auszügen in sein kürzlich erschienenes Buch "Josemaría Escrivá be

Am 19. Januar 2002 fand anlässlich des 100. Geburtstages des Gründers des Opus Dei ein feierlicher Gottesdienst im Kölner Dom statt. Beim anschließenden Festakt im nahegelegenen Maternushaus hielt Kurt Malangré, ehemaliger Oberbürgermeister von Aachen und bis 1999 Mitglied des Europaparlaments, eine viel beachtete Festrede, die Rolf Thomas in Auszügen in sein kürzlich erschienenes Buch "Josemaría Escrivá begegnen" aufgenommen hat.

„Man muss bedenken, dass dieser klare Grundentwurf meiner Aufgabe, den der junge Priester (der hl. Josefmaria) am 2. Oktober 1928 sah, mit der gängigen Auffassung vom privilegierten Status eines besondern Standes der Vollkommenheit als einziger Möglichkeit brach...

Die göttliche Berufung des normalen Christen zur Heiligkeit auf dem Weg des Strebens nach christlicher Vollkommenheit mitten in der Welt, durch die gewöhnliche berufliche Arbeit, in normalen, legitimen, familiären Bindungen, im üblichen gesellschaftlichen Umfeld – das war unerhört (...) Es muss wohl so sein, dass Gott bei einem derartig gravierenden Eingriff, wie es dieser Einbruch des Gründungsratschlusses war, sozusagen einen Vertrauensvorschuss beim Angesprochenen erwartete, den Sprung in seine, in Gottes, Arme zu wagen. Der junge Josefmaria hätte sich ja auch verweigern können (...) Ja, der Gründer hätte den Gründungsauftrag ablehnen können (...)

Dem Geburtstagskind sei Dank. Er hat sich nicht verweigert, sondern mit ganzer Willenskraft und Liebe angenommen (...) Es ist der Mikrokosmos des Alltagsleben, einschließlich unserer Fehltritte, der nach dem Appell Gottes vom 2. Oktober 1928 aus seiner Unterbewertung herausgerissen, von seiner Missachtung befreit und geradezu zum geistlichen Energiespender transformiert werden soll. Er ist hilfreich, ja, unentbehrlich, um mit dem Ende auch das Ziel zu erreichen. Wir haben meist kein anderes Rohmaterial als das unserer Normalität (...) Sollen denn nur Heldentaten gelten und die im Alltag nicht zu finden sein? Ist in der Schöpfung allein der Makrokosmos grandios und nicht auch der Mikrokosmos? Ist der Blick in das Mikroskop weniger faszinierend und den Entdeckergeist beflügelnd als der Blick in das Weltraumteleskop? Was hat denn Jesus eigentlich gemeint, als er uns versicherte: ‚Alle Haare eures Hauptes sind gezählt.’? (...)

Nein, es sind nicht nur die schweren Kreuze, es sind ebenso die Kleinigkeiten, die Situationen unseres Tagesgeschäftes, in denen und bei denen er auch bei uns sein will und anklopft, dass wir ihn einlassen. Was war mit der armen Witwe, die nach Jesu Beurteilung mit ihren paar Pfennigen, neuerdings Cent, mehr als alle anderen gegeben hatte? ‚Alles, was sie hatte.’ Alles, was sie hatte? – Was haben wir denn alles? Die Spülmaschine aus- und einräumen, die Kinder hin- und herkarren, mit denselben Kollegen auskommen? – Tausenderlei – unser Mikrokosmos, unsere kleine Münze, alles was wir haben. Wenn wir uns um Gottes willen dabei mühen – welch ein Kapital!

Aber nicht ins Blaue hinein. Gott und der, dem er das Gründungsmodell zeigte, sind und waren auch kundige Realisten. Dreierlei war notwendig:

a) Die Basis der Gotteskindschaft.

b) Durchhalten und wachsen lässt uns die Kontemplation.

c) Und schließlich benötigte die Gründung den Anschluss an den Gnadenkreislauf des Corpus Christi mysticum, also der Integrierung in die Kirche (...)

Der Gründer bestand außerdem darauf, dass jeder die Freiheit hat und haben muss, in jedem legitimen Bereich nach seinen Vorstellungen tätig zu sein, dann aber auch mit offenen Sinnen und Kompetenz und in Kenntnis der Minenfelder. Er bestand darauf, dass die Christen ihren spezifischen Beitrag nicht verweigern, sondern sich einmischen, wo es nottut, und sich nicht davon machen. Das gilt auch für die Politik. Das Zweite Vatikanische Konzil hat ihn hierin bestätigt (vgl. Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et Spes und die Dogmatische Konstitution Lumen gentium)."