Ich bin das Fenster meiner Kinder

Li-hsien Lin, Mutter von zwei autistischen Kindern, Taipeh

Yi-yun, die dritte meiner Töchter, wurde am 6. Januar, dem Dreikönigsfest, geboren. Wir konnten kaum unseren Blick von ihr abwenden; besonders ihre Schwestern standen voller Bewunderung vor ihr.

Eines Tages, als sie schon vier Monate alt war, bereiteten wir den Fotoapparat vor, um sie bei ihrem ersten Bissen aufzunehmen. Plötzlich schaute sie wie versteinert auf einen Punkt und hörte auf zu atmen.

Nach einer Minute verhielt sie sich wieder normal, als ob nichts geschehen wäre. Wir brachten sie ins Krankenhaus, aber man fand kein Anzeichen einer Krankheit. Als wir jedoch die Klinik verließen, wiederholte sich die Szene. Sie wurde daraufhin auf die Intensivstation gebracht, und kurz darauf diagnostizierte der Arzt Epilepsie.

In diesem Moment schien es mir unmöglich, diese Prüfung auf mich zu nehmen; aber ich stellte fest, dass Gott nie mehr von uns verlangt, als wir geben können. Viele Leute begleiteten uns mit ihrem Gebet, und wir bekamen die Krankheit unter Kontrolle. Zwei Monate später erwarteten wir unser viertes Kind. Durch die Lehren des heiligen Josefmaria hatte ich inzwischen gelernt, was das omnia in bonum bedeutet: "Dir ist, als stürze die ganze Welt über dir zusammen. Nirgendwo zeigt sich ein Ausweg. Wirklich, diesmal ist es unmöglich, der Schwierigkeiten Herr zu werden.

Hast du denn wieder vergessen, dass Gott dein Vater ist? Ein allmächtiger, allwissender, barmherziger Vater? Niemals kann er dir Schlechtes schicken. Was dir Sorgen bereitet, ist gut für dich, auch wenn deine irdischen Augen jetzt blind sind.

Omnia in bonum! Herr, dein allwissender Wille geschehe jetzt und immer!" (Der Kreuzweg, 9. Station, 4) Und so ließ ich alles in Gottes Händen.

Während ich diesen Artikel schreibe, macht Yi-yun eine Prüfung, um in die Grundschule zu gehen. Sie ist schon sieben Jahre alt. Als sie geboren wurde, kannte ich die Botschaft des heiligen Josefmaria bereits und hatte um die Aufnahme ins Opus Dei gebeten. Mein Mann war getauft worden. Vom Gründer des Opus Dei hatte ich gelernt, dass jedes Kind ein Geschenk Gottes ist, und in der Tat ist Yi-yun für alle ein Grund zur Freude.

Unser einziger Sohn wurde geboren, als Yi-yun fünfzehn Monate alt war. Die Entwicklung von Yi-yun verlief langsamer als normal; trotzdem kümmerte sie sich rührend um ihren kleinen Bruder. Zum Beispiel streichelte sie ihm über den Bauch, damit er gut schliefe – und es klappte!

Mit zwei Jahren sprach Yi-yun noch nicht; man stellte Autismus mittlerer Stärke fest. Mein Sohn Yi-zhen ist auch leicht autistisch. Als man mir die Diagnose sagte, hörte ich nicht mehr auf zu weinen. Nach einigen Tagen hielt ich meine Tränen zurück. Mir war klar geworden, dass ich für meine Kinder das Fenster bin angesichts einer Welt, in der die Kranken keine Aufnahme zu finden scheinen. Mit dreieinhalb Jahren wiederholte er nur Wörter und Sätze, ohne jedoch ihre Bedeutung zu verstehen. Als die Diagnose bestätigt wurde, hatte ich schon keine Zeit mehr, um zu weinen. Ich war innerlich nur damit beschäftigt, Hilfe für ihn zu suchen und zu überlegen, wie sie ihm zuteil werden konnte. Die beiden sind ein besonderer Segen Gottes. Sie haben eine engelgleiche Einfachheit und bemerken Kleinigkeiten, über die die anderen hinweggehen, sie beten, und ich denke, sie sind Gottes Lieblingskinder.

Yi-zhen hat ein ausgesprochen feines Tastvermögen, und jede Art von harter Berührung tut ihm weh. Aber er macht spezielle Übungen und so wird es langsam besser. Vor einigen Tagen begann ich zu husten, während ich am Steuer saß. Plötzlich fühlte ich, wie eine kleine Hand sanft auf meinen Rücken klopfte. Das war ein Zeichen der Sympathie, ein großer Fortschritt für ein autistisches Kind. Unsere zwei Kinder machen das Gewöhnliche zu etwas Besonderem, Großartigem. Außerdem bewirken sie, dass die Leute, die mit ihnen zu tun haben, besser werden wollen.

Die letzten Ergebnisse des Intelligentstests zeigen, dass Yi-yun dabei ist, ihren Autismus zu überwinden, obwohl sie geistig immer noch leicht zurückgeblieben ist. Ihre Epilpsie wird durch Medikamente unter Kontrolle gehalten. Mit Vertrauen auf Gott, meinen Vater, weiß ich, dass wir uns nicht umsonst bemühen. Das wunderbare Kapitel der Musiktherapie wird bald anfangen.

Am Anfang dachte ich, nun hätte ich nur noch Zeit für meine beiden Kinder. Aber wenn ich gut plane, kann ich doch noch etwas für andere und mit anderen tun. So habe ich vor einigen Jahren mit befreundeten Familienmüttern einen Club für Madchen von sechs bis zwölf begonnen. Unser Ziel ist es, ihnen beim Erwerb guter Eigenschaften und Tugenden zu helfen. Meine Erfahrung spornt mich an, ihnen zu helfen, sich auf das Leben vorzubereiten, das so viele Freuden und auch einige Leiden bereithält, die Gutes bewirken können, wenn man ihren Sinn begreift.