Johannes XXIII. und Johannes Paul II. – zwei heilige Päpste und zwei glühende Marienverehrer

Ein Kommentar des Prälaten des Opus Dei, Bischof Javier Echevarría, zur Heiligsprechung der beiden Päpste, Johannes XXIII. und Johannes Paul II.

Die Heiligsprechung der beiden Päpste Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ist ein großes kirchliches Ereignis und ein Hoffnungszeichen für die Welt, denn wo die Heiligkeit aufblüht, haben Krisen keine Chance mehr.

Die Heiligkeit ist ein solides Fundament, auf dem Zukunft aufgebaut werden kann. Im Christentum und insbesondere im Leben der Heiligen finden wir Antworten auf die tiefgreifenden Probleme der Menschen und der Gesellschaft. Denn diese Krisen sind häufig die Folge einer Entfernung von Gott.

Es ist für uns Anlass zu tiefer Dankbarkeit, dass in einer Zeit, in der so viel von „Krisen“ gesprochen wird (Wirtschaftskrisen oder Krisen kultureller, sozialer, politischer oder religiöser Art), die Kirche immer von Heiligen geleitet wurde. Zwei der letzten drei schon verstorbenen Päpste (Johannes XXIII. und Johannes Paul II.) wurden bereits zur Ehre der Altäre erhoben. Die Seligsprechung des dritten (Paul VI.) ist für den 29. Oktober angekündigt worden.

Das Verdienst Johannes XXIII. ist es vor allem, das II. Vatikanische Konzil einberufen zu haben. Mit fester und väterlicher Hand führte er die Kirche in der Nachfolge des hl. Petrus zu einer außerordentlichen Erfahrung des Glaubens und der persönlichen und kollektiven Erneuerung. Dieses kirchliche Ereignis bestand hauptsächlich darin, dass es ihm gelang, zu den Herzen der Menschen seiner Zeit zu sprechen, wie die Konstitution „Gaudium et Spes“ betonte. Dem Roncalli-Papst gelang es, die Berufung zur Heiligkeit an der Wurzel der christlichen Existenz zu verankern. Heute können wir uns an seine Fürsprache wenden, um den Herrn zu bitten, dass diese Wahrheit, die das II. Vatikanum verkündet hat, tief ins Bewusstsein jedes Mannes und jeder Frau eindringen möge: Die Heiligkeit ist für jeden Christen erreichbar und nicht eine Sache weniger Privilegierter.

Für die meisten Menschen ist Johannes XXIII. vor allem ein Papst des Friedens. In einem historisch äußert schwierigen Augenblick zögerte er nicht – und folgte damit dem Beispiel seiner Vorgänger –, sich der angemessenen Mittel zu bedienen, um den Krieg zu vermeiden, wobei das moralische und religiöse Gewicht seiner Persönlichkeit ein entscheidender Faktor war. Er legte so den Grundstein für eine allgemein anerkannte Lehre über die Voraussetzungen für den Frieden und für die Würde des Menschen.

Johannes Paul II. war ein in Gott verliebter Priester, der zugleich die Menschen auf Grund ihrer Gottesebenbildlichkeit über alles liebte. Aus dieser anteilnehmenden Liebe heraus rief er die gesamte Kirche zu einer „Neuevangelisierung“ auf, wobei er besonders die Rolle der Laien hervorhob, denen es in besonderer Weise zukommt, Gott im Leben der Einzelnen und der Völker präsent zu machen. Während der Jahre seines Pontifikats haben wir gelernt, einen tieferen Blick auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes zu werfen. Seine Worte und Gesten, seine Schriften und nicht zuletzt seine persönliche Hingabe, die wir in der Zeit des Wohlergehens wie auch in Zeiten der Krankheit wahrnehmen konnten, waren das Instrument, dessen sich der Hl. Geist bediente, um viele Menschen zu den Quellen der Gnade zu führen. Tausenden von Jugendlichen war er ein Führer zum Priestertum, zum Ordensleben, zur Ehe oder zu zölibatären Lebensformen in den neuen Bewegungen.

Der polnische Papst führte die Kirche ins dritte Jahrtausend und hinterließ dabei ein beachtliches Vermächtnis, was die Würde der Person, den Wert des menschlichen Lebens so wie die Aufgabe der Familie betrifft. Er rief auf zum Einsatz für Arme und Bedürftige auf, er kämpfte für die Rechte der Arbeiter. Ihm war die menschliche Liebe und die Würde der Frau neben vielen anderen Aspekten die von entscheidender Bedeutung für einen würdigen Lebensvollzug sind, ein überaus wichtiges Anliegen. Seine Schriften und Predigten bilden ein kompaktes Lehrgebäude mit einer enormen zukunftsweisenden Kraft. Ich bin überzeugt, dass seine menschliche und soziale Botschaft, die aus einer tief spirituellen Antwort auf Gott her rühren, im Laufe der Zeit noch stark an Bedeutung gewinnen wird.

Die Heiligsprechung dieser beiden großen Hirten geschieht zu Beginn des Monats Mai, dem Monat der Muttergottes. Beiden neuen Heiligen ist dieses Merkmal gemeinsam: sie pflegten eine zärtliche und tiefe Liebe zur Muttergottes. Johannes XXIII nahm häufig Bezug auf die allgemeine Mutterschaft der Jungfrau Maria. „Da sie die Mutter Christi ist, ist sie die Mutter aller und steht allen Menschen vor. Alle sind Geschwister desselben Erstgeborenen, Christus.“ (Radiobotschaft des Hl. Vaters Johannes XXIII. zum Zweiten Interamerikanischen Marianischen Kongress, 12.10.1961). Für Johannes Paul II. ist das Bewusstsein der Nähe und Fürsprache der Muttergottes so offensichtlich, dass er mit Maria lebte, deren Fürsprache für ihn ein beständiger Referenzpunkt war, der ihn auf seinem geistlichen und menschlichen Unterwegssein begleitet. Er lud alle ein die „marianische Dimension“ der Jünger Christi zu entdecken. Die Mutterschaft Mariens, sagte er, „ist ein Geschenk, das Christus persönlich jedem Menschen macht“ (vgl. Redemptoris Mater, 45).

Die Muttergottes nimmt nicht nur einen sehr wichtigen Platz im Leben jedes Gläubigen ein, sondern auch bei der Auferbauung der Kirche kommt ihr ein sehr wichtiger Platz zu. Deshalb gefällt es mir, im Rahmen dieser Heiligsprechungen an die Worte des hl. Josefmaria zu erinnern: “Es ist kaum möglich, die Gottesmutter wirklich zu verehren, ohne sich den übrigen Gliedern des mystischen Leibes enger verbunden zu fühlen, enger verbunden auch mit dem sichtbaren Haupt dieses Leibes, dem Papst. Deshalb wiederhole ich gern: ‚Omnes cum Petro ad Jesum per Mariam‘, alle mit Petrus zu Jesus durch Maria!“ (Christus begegnen, 139). Es freut mich, dass es gerade Franziskus, ein überaus marianischer Papst ist, der die beiden Heiligsprechungen vorgenommen hat. Alle Drei haben bewiesen, dass der Inhalt der Liebe nicht nur menschlich ist, sondern dass es darum geht, Christus den anderen zu bringen, denn das ist genau der Dienst, den Maria der gesamten Menschheit gegenüber leistet.

Wir werden uns schnell daran gewöhnen, uns an diese beiden Hirten als den heiligen Johannes XXIII. und den heiligen Johannes Paul II. zu wenden. Durch ihre Heiligsprechung hilft uns Papst Franziskus zu verstehen, dass für Gott Angelo Roncalli und Karol Wojtyla vor allem zwei heilige Menschen waren. Dies sollte ein wesentlicher Faktor im Leben jedes Menschen sein. Johannes XXIII. und Johannes Paul II. waren Priester, die sich durch große Herzlichkeit auszeichneten, durch eine glühende Liebe zu Gott und zu allen Menschen. Sie waren Heilige aus einem Guss, die die zärtliche Liebe zu Maria, Mutter Gottes und Mutter der Menschen, vereint.

+Javier Echevarría

Prälat des Opus Dei