Meine Arbeit hängt nicht mehr von den Börsenkursen ab

Juan Carlos Fierro, Finanzberater, USA

Seit ich eines Tages auf die Verkündigung des heiligen Josefmaria über die Messe stieß, haben seine Aussagen einen beträchtlichen Einfluss auf meinen Arbeitsstil genommen. Ich will damit sagen, daß ich in die Praxis umzusetzen versuche, was die Schriften des Opus-Dei-Gründers über die heilige Messe als Zentrum und Wurzel des Tages darlegen, z.B. im Feuer der Schmiede: "Bemühe dich mit allen Kräften darum, daß das heilige Messopfer Mitte und Wurzel deines inneren Lebens ist. Der ganze Tag wird so – zuerst als Verlängerung der vergangenen heiligen Messe, dann als Vorbereitung auf die kommende – zu einem Gottesdienst, der sich immer neu entfaltet: in Stoßgebeten, im Aufsuchen des Altarssakramentes, in der Darbringung deiner beruflichen Arbeit und deines Familienlebens.“ (Im Feuer der Schmiede, 69). Dieser Gedanke stand am Beginn einer Reihe von Veränderungen in meiner Arbeit.

Nun sollte ich wohl wenigstens im Groben meine Tätigkeit beschreiben, bevor ich genauer auf das Thema eingehe. Ich bin Finanzberater, ein broker, wie man zu sagen pflegt, und arbeite für ein bekanntes Washingtoner Investitionsunternehmen. Im Großen und Ganzen besteht mein Beruf darin, meine Kunden – welche übrigens international verstreut sind – hinsichtlich ihrer Investitionsmöglichkeiten zu beraten und dabei so weit wie möglich ihre Wünsche und Bedürfnisse zu beachten. Es ist eine echt stressige und konkurrenzträchtige Arbeit, die entscheidend von der jeweiligen Stiuation auf dem Weltmarkt abhängt. Es kommt eigentlich immer darauf an, als erster eine Information zu ergattern und sie möglichst "vor den anderen" deuten zu können. Das macht nämlich den wesentlichen "Unterschied" aus! So weiß ich zwar, daß mein Arbeitstag um ungefähr 8.00 Uhr beginnt, wann er jedoch endet, kann ich oft nicht absehen!

Die Beschäftigung mit dem, was die Schriften des heiligen Josefmaria erläutern, konkretisierte sich in erster Linie dadurch, dass ich begann, mir eine christliche Bildung anzueignen. Dazu bemühe ich mich seit dieser Zeit, einige Frömmigkeitsübungen über den Tag verteilt einzuhalten, die mich an Gott erinnern sollen. Das allein brachte schon mit sich, dass ich meine Arbeit auf eine andere Weise in Angriff nahm. Aber, und darauf möchte ich mich haupsächlich konzentrieren, die wirkliche "Wende" ereignete sich, als ich erfasste, welch große Wichtigkeit Msgr. Escrivá der heiligen Messe zumaß. Seine Auffassung, die ich mir Mühe gab nachzuvollziehen, gab meinem Beruf eine neue "Dimension". Natürlich übersetzte sich die "Entdeckung" der Messe als Mitte und Wurzel meines Arbeitstages erst einmal dahin, sie in den täglichen Arbeitsablauf einzubeziehen; jedoch geht die "Dimension", von der ich spreche, weit über die Frage der regelmäßigen Teilnahme an der Messe hinaus. Der heilige Josefmaria bezieht sich in dem genannten Punkt vom Feuer der Schmiede auf die Messe als Mittelpunkt und Ursprung des inneren Lebens und darauf, den ganzen Tag in einen Gottesdienst zu verwandeln! Ich versuchte, diese Botschaft tief in mich aufzunehmen und die zwei genannten Aspekte für mich fruchtbar zu machen. Das wiederum brachte mich dazu, an die Verbindung der Messe mit der Arbeit, und in einem zweiten Schritt, an die Einheit von Arbeit und heiliger Messe zu denken! Ich werde mich daher im Folgenden zu dieser doppelten Dimension äußern.

Die Messe verbindet sich mit der Arbeit. Wenn ich in die heilige Messe gehe, ist mir klar, daß es sich nicht einfach um eine pflichtgemäße Anwesenheit handelt. Da sie nicht lange dauert und in meinem Job "Zeit = Geld" ist, bin ich mir bewusst, dass ich diese wenigen Minuten gut ausnutzen muss. So denke ich während der Messe an meine Arbeit, an meine Familie, an Freunde und auch an meine Kunden; ich bemühe mich um den Lobpreis Gottes und bitte den Herrn um viele Dinge, vor allem bei der Kommunion. Ich bitte nicht nur um das gute Ausgehen von Finanzbewegungen, sondern um Licht und Beistand für die täglichen Verhandlungen und Entscheidungen und für die Menschen, die in mich ihr Vertrauen gelegt haben. Ich danke für vieles ... und überlasse Gottes Händen ebensoviele Ungewissheiten. In dieser halben Stunde scheint alles sich zu beruhigen. Ich stelle mir dann vor, daß ich mich vor dem "Motor" befinde, der später der Hektik des Tages ihren Sinn verleihen und mir helfen wird, in den Unvorhersehbarkeiten und Schwierigkeiten den Frieden und die Fassung zu bewahren.

Dann gilt aber auch: Die Arbeit verbindet sich mit der Messe! Wenn ich dann wieder im Büro, am Telefon, bei einer Besprechung oder einem Besuchsempfang, am Computerbildschirm usw. bin, versuche ich vor Augen zu haben, was mein Leben umfängt und was ich gerade noch gefeiert habe: Das Opfer Jesu in der heiligen Messe. Und das äußert sich ganz konkret. Nun ist mir zwar einerseits sehr bewusst, dass meine Art, die Arbeit anzupacken oder zu planen, sich tatsächlich grundlegend gewandelt hat. Andererseits trifft das nicht auf alle Veränderungen zu. In einigen Fällen kann ich auch nicht so recht erklären, warum sich Dinge verändert haben, und ich stelle mir vor, dass es auch Aspekte gibt, die noch im Begriff sind, sich zu verändern, sich also in einer Art Wandlungsprozess befinden. Daher werde ich ganz kurz drei Gesichtpunkte ansprechen, die mir ganz offensichtlich zu sein scheinen:

Der erste Bereich ist der Umgang mit den Leuten. Die genaue Art und Weise, wie die heilige Messe auf diese Veränderung hin Einfluß genommen hat, entgeht wiederum meiner Kenntnis, obwohl ich sicher bin, dass es so war. Tatsache ist, dass ich jetzt jeden Kunden nicht mehr nur wie eine Investitionsquelle sehe, in die man etwas anlegt, sondern als jemanden, der in mich sein Vertrauen setzt und dem ich helfen soll. Dies führt mich zu einem intensiveren, ehrlichen und herzlichen Umgang mit jedem Kunden; dieser Umgang, der aus dem Vorsatz, einen echten Dienst zu leisten, erwächst, führt oft weit über die Ebene des rein Beruflichen hinaus. Ich merke dann, dass über die Bemühung um ein fachliches Gespräch hinaus der Schritt vom rein beruflichen zum persönlichen Bereich aus der beschriebenen Haltung heraus oft schnell getan ist. Meist geht das über Kleinigkeiten, z.B. ein Anruf zu einem familiären Ereignis, eine persönlichen oder familiäre Nachfrage, ein kurzer beruflichen Erfahrungsaustausch, usw. Dadurch kommen dann manche Sorgen zum Vorschein, kleine oder große Familienkonflikte, und ich versuche zu helfen.

Ein zweiter Aspekt, dessen Darlegung mir, wie schon beim ersten, recht schwerfällt, ist die Weise, wie sich die heilige Messe auf meine Einstellung zur Arbeit auswirkt. Denn dass sie es tut, ist auf jeden Fall offensichtlich! Ich merke wie meine Arbeit nicht mehr nur von der augenblicklichen Situation des Marktes, dem Auf und Ab und seinen Fluktuationen, abhängt. Wie zuvor schon angedeutet, ist für mich die Messe der "Motor" d.h. der Antrieb, die Kraftquelle, aus der ich versuche, Gelassenheit und Frieden für den verbleibenden Tag zu tanken. Natürlich sind damit die Probleme und Unwägbarkeiten noch nicht verschwunden, jedoch hat sich die Art und Weise geändert, diesen zu begegnen.

Ein letzter Punkt, der aus dieser "zweifachen Dimension" förmlich hervorgeht, ist die Einheit, die jetzt mein gesamter Tag aufweist. Diese Art, die heilige Messe mitzufeiern, hat mich den roten Faden finden lassen, mit dem ich alle Elemente des Tages, ja des Lebens überhaupt, verbinden kann. Denn vorher glich mein Leben einem Schwimmen zwischen unterschiedlichen "Inseln": der familiären, der beruflichen, derjenigen der Freunde... Inseln, die kaum eine Beziehung untereinander hatten. Sie mit der heiligen Messe zu verbinden, hat dazu geführt, dass sie jetzt – auch außerhalb des Messopfers als solchem – in meinem konkreten Alltag eine Einheit darstellen.

Mir ist bewusst, daß meine Ausführungen bloß einige - dazu sehr persönliche - Pinselstriche darstellen. Mit ihnen wollte ich einfach wiedergeben, was die Entdeckung der Messe als Mitte und Wurzel des inneren Lebens und die Tatsache, meinen Tag in einen Gottesdienst zu verwandeln, für mich praktisch bedeutet hat. Während ich diese Zeilen schrieb, dachte ich an die Katastrophe des World Trade Center am 11. September. Ich arbeitete dort, im 63. Stockwerk, wo noch vor wenigen Monaten einige meiner Freunde ihr Leben gelassen haben. Ich bitte den heiligen Josefmaria um Fürsprache für sie, und ich danke ihm, da ich dieses für einen Christen so wichtige Verständnis des Ineinander von heiliger Messe und alltäglicher Arbeit seiner Botschaft verdanke.