Meine Tochter, fotografiere mich nicht weiter – bete lieber für mich!

Helena Serrano, Rom, Italien

Helena Serrano stammt aus Córdoba, lebt aber in Rom, wo sie mehr als zwanzig Jahre lang in der Nähe des heiligen Josefmaria arbeitete. Der Gründer des Opus Dei machte ihr Mut, in dieser Zeit ihr fotographisches Talent zu entwickeln und so hielt sie einen Teil der Geschichte des Opus Dei in Bildzeugnissen fest.

Der Einstieg in die Photographie

Im Sommer 1954 kam ich für ein mehrjähriges Studium nach Rom, wo ich außerdem bei den vielfältigen Aufgaben mitarbeitete, die im Zentralsitz des Opus Dei in Rom anstanden. Schon damals traf ich Mitglieder des Opus Dei aus den verschiedensten Ländern und von unterschiedlicher Herkunft, was ja zugleich Reichtum und Kontrastivität bedeutet. Der heilige Josefmaria besaß ein Gespür für Geschichte als jemand, der in einem übernatürlichen Unternehmen arbeitet, das zu existieren bestimmt ist, solange es Menschen auf dieser Welt gibt, die es an den allgemeinen Ruf zur Heiligkeit zu erinnern gilt. Er dachte auch daran, dass die, die im Laufe der Jahrhunderte zum Opus Dei kommen würden, sicher gerne erfahren würden, wie die ersten waren und wie sie lebten.

Ich fotografierte auch den heiligen Josefmaria häufig, obwohl ihm dies gar nicht gefiel. Nicht selten sagte er mit seinem sympathischen ausgeprägten aragonesischen Tonfall: "Meine Tochter, fotografiere mich nicht weiter – bete lieber für mich!" Oder auch: "Sei brav, Helena...! Fotografiere die anderen und lass mich in Frieden." Don Alvaro jedoch bewegte ihn dazu, sich aufnehmen zu lassen, indem er darauf hinwies, daß es eine Sache der Gerechtigkeit sei, dass ihn seine Söhne und Töchter gut kennenlernten. Aus diesem Grund haben wir viele Momentaufnahmen von ihm. Sie stellen genau wie die Filme von den Treffen mit dem heiligen Josefmaria in Spanien, Portugal und Lateinamerkika während seiner Katechesen ein wertvolles Material dar. In einer Kultur des Bildes wie der unseren hilft es sehr, den Geist, den Gott ihm geschenkt hatte, zu verstehen, wenn man sieht, mit welcher Natürlichkeit er predigte, was er lebte.

"Wir sollten jetzt dieses cheese sagen...!"

Die meisten Fotos wurden in sehr unterschiedlichen Alltagssituationen gemacht. Es gibt recht wenige Studioaufnahmen, um es einmal so auszudrücken. In seinem Gesicht sieht man den liebevollen Blick und die Aufmerksamkeit, mit der er demjenigen, der mit ihm sprach, zuhörte... und immer ein Lächeln. Der heilige Josefmaria war ein froher Mensch, weil er sich als Sohn Gottes sah, und er steckte seine Umgebung mit seiner Freude an. Man sah sie ihm im Gesicht an und auf den Fotos kann man feststellen, wie er sie an die anderen weitergab. Es gibt eins, das ich 'das Foto des Gelächters' nenne. Er war mit einigen seiner Töchter zusammen, und als ich mit der Kamera erschien, sagte er: "Wir sollten jetzt dieses cheese sagen...!" Und er sagte es mit so viel Charme, daß alle anfingen zu lachen.

„Möchtest du etwa, daß ich etwas vortäusche...?“

Es gibt auch viele Fotos von Augenblicken, in denen der heilige Josefmaria betete, z.B. während der heiligen Messe, vor einem Muttergottesbild, beim Küssen eines Kreuzes, vor dem Tabernakel kniend, mit dem Rosenkranz in der Hand... Ich kann versichern, dass ich in keiner einzigen Situation gesehen habe, dass er zerstreut gewesen wäre. Der Fotoapparat nimmt ganz selbstverständlich diese auf Gott oder Maria ausgerichtete Aufmerksamkeit auf.

Am 6. Januar 1972 wollte ich den Augenblick aufnehmen, wenn er, wie gewöhnlich, auf seinem Weg durch die entsprechende Zone des Hauses anhielt, um eine kleine Statue der Muttergottes von Loreto zu küssen. Als er mich dort mit meiner gezückten Kamera sah, fragte er mich: "Helena, was tust du hier?" Ich antwortete ihm, dass ich vorhatte, eine Aufnahme davon zu machen, wie er die Muttergottes küßte. "Möchtest du etwa, dass ich etwas vortäusche..., dass ich Theater spiele, wenn ich sie küsse..., damit du mich fotografieren kannst?" sagte er daraufhin. Er zögerte einen Moment lang, aber dann fuhr er fort: "Ich werde nichts vortäuschen, denn ich werde ihr einen wirklichen Kuss geben ..., einen Kuss, wie er sein soll!"

Es gibt andere Bilder, die die Frömmigkeit des heiligen Josefmaria gut wiedergeben, etwa wenn er Weihnachten voller Zartgefühl das neugeborene Jesuskind küsste oder in die Arme nahm, es streichelte und ihm etwas Liebes sagte.

Sie haben die letzten Bilder vom heiligen Josefmaria im Juni 1975 gemacht...

Nie werde ich den Augenblick vergessen, als ich am Mittag des 26. Juni 1975 vor dem Leichnam des heiligen Josefmaria kniete. Einen Moment lang dachte ich an meine Kamera, aber ich fühlte mich nicht in der Lage. Ich hätte diese Bilder nicht gemacht, wenn ich nicht den Auftrag von Bischof Alvaro del Portillo bekommen hätte. Zusammen mit Ana Lorente machten wir in jenen Tagen alle Aufnahmen, die angebracht waren. Als ich am 27. Juni meine kindliche Pflicht, Fotos vom Vater zu machen als beendet ansah, sagte mir jemand: "Helena, die Hände." Also nahm ich noch einmal meinen Apparat und richtete die Linse auf seine so ausdrucksstarken Hände. Das war das letzte Foto, das ich von ihm gemacht habe.