Sonsoles, Mai 1935

Der Marienwallfahrtsort Sonsoles in Avila (Zentralspanien) war die Kulisse für die“Maiwallfahrt”, ein wichtiges Ereignis in der Biographie des hl. Josemaria Escrivá. Wie kam es konkret zur Entwicklung dieser Gewohnheit im Opus Dei? Eine Arbeit von Alfredo Méndiz, veröffentlicht in ‘Studia et Documenta’.

Marienheiligtum von Sonsoles, in Ávila

Der Marienwallfahrtsort Sonsoles in Avila (Zentralspanien) war die Kulisse für die“Maiwallfahrt”, ein wichtiges Ereignis in der Biographie des hl. Josemaria Escrivá. Wie kam es konkret zur Entwicklung dieser Gewohnheit im Opus Dei?

In Studia et Documenta werden zwei Berichte von dieser Wallfahrt vom 2. Mai 1935 zum Gnadenbild der Muttergottes von Sonsoles in Avila analysiert und kommentiert. Sie stammen von Josefmaria Escrivá selbst und von Ricardo Fernández Vallespín

Der vollständige Artikel - auf spanisch.

Der Bericht des Protagonisten

„Der Grund für die Wallfahrt war ein Versprechen, das ich der Muttergottes gemacht hatte zu der Zeit da ich noch nicht dem Opus Dei angehörte“, so berichtet Ricardo Fernando Vallespín selbst. „Ich war damals bettlägerig und ernstlich krank, so dass ich befürchten musste, meine Schlussprüfung bei der Hochschule für Architektur nicht pünktlich ablegen zu können, da mein Projekt, das ich vorlegen musste, nicht fertig war. (Das hätte für mich bedeutet, dass sich mein Berufsabschluss um ein Jahr verzögerte.) So bot ich der Muttergottes an, sie in ihrem Heiligtum in Sonsoles zu besuchen, wobei ich den Weg von Avila nach Sonsoles zu Fuß zurücklegen wollte, wenn ich – was mir rein menschlich gesehen unmöglich schien – pünktlich meine Abschlussprüfung machen könnte. Einige Freunde von mir, die gleichzeitig mit mir das Examen machten, beendeten für mich mein Projekt, so dass ich die Prüfung bestand.

Im Jahre 1935 nahm die Verehrung der Muttergottes eine herausragende Stellung im geistlichen Lebensplan ein, den der hl. Josefmaria für die Mitglieder des Werkes entworfen hatte. Er sah unter anderem das tägliche Gebet (...) des Rosenkranzes sowie den Engel des Herrn und andere Gebete der Marienfrömmigkeit vor.

Ich muss zu meiner Beschämung sagen, dass ich sehr lange brauchte, um dieses Versprechen in die Tat umzusetzen. Ich dachte oft daran, legte mir aber keinen Termin. Ich ließ das Ganze schleifen, bis ich vor einigen Tagen mit dem Vater darüber sprach. Wir machten den 2. Mai aus, an dem wir beide die Wallfahrt machen wollten. Einige Tage später gesellte sich noch José Maria Barredo zu unserer Wallfahrt.

Wir ließen am Konvent St. Thomas die Ortschaft hinter uns und nahmen eine Abkürzung. Das Heiligtum konnten wir schon gut aus der Ferne erblicken, da es ein klarer Tag war. In Avila ist häufig eine frische und klare Luft. Unterwegs sagte der Vater, dass wir mit dieser Wallfahrt erstmalig eine Gewohnheit des Werkes leben würden. (...) Der Weg zieht sich und steigt (ungefähr 5 km lang) an. Als wir den Rosenkranz beendet hatten, legte ich einen Schritt zu und kam wesentlich früher als der Vater und Barredo beim Heiligtum an. Ich trat in die Kapelle ein und bat die Muttergottes auf Knien um Verzeihung, dass ich so lange gebraucht hatte, um mein Versprechen einzulösen (…).“

Wie entsteht eine Gewohnheit?

Am 7. Mai 1935, fünf Tage nach der Wallfahrt, erwähnt sie Escrivá beiläufig in seinen „Persönlichen Aufzeichnungen“. „Dort in Avila wurde eine marianische Gewohnheit geboren, die wir nun immer im Werk leben werden. Ich möchte jetzt nicht mehr dazu erwähnen, da es noch an anderer Stelle erfolgen wird.“

Er sagt damit, dass die Wallfahrt nach Sonsoles nicht nur zum Bereich seiner persönlichen Frömmigkeit gehört, sondern vielmehr zur Geschichte des Werkes selbst. Das Werk Gottes ist, was die pastoralen Leitlinien betrifft, noch im Entstehen begriffen ebenso wie das Allgemeingut seiner Gewohnheiten noch zusammengestellt werden muss.( Es handelt sich dabei um Frömmigkeitsübungen, die den Mitgliedern das Werkes helfen sollen, in beständigem Gespräch mit Gott zu sein und die Nächstenliebe zu leben.) In diesen Kontext gehört die Wallfahrt nach Sonsoles.

Der hl. Josefmaria verspürte das Bedürfnis, die Verehrung der Muttergottes im Monat Mai, den die Kirche traditionell der Muttergottes geweiht hat, konkret zu fassen. Er fand die Lösung angesichts dieses Ereignisses im Leben des Werkes.

José María González Barredo, derjenige, der Escrivá und Fernández Vallespín auf der Wallfahrt nach Sonsoles begleitete, schrieb Jahre später: „die Gewohnheiten wurden im Studentenheim Ferraz nach und nach mit großer Normalität eingeführt, so dass sie zu Beginn fast nicht bemerkt wurden. Die ersten Beisammensein, an denen ich nach meiner bitte um die Aufnahme teilnahm, waren mehr oder weniger so wie heute, aber sie hießen nicht so und hatten auch keinen offiziellen Anfang noch endeten sie auf eine bestimmte Art und Weise.“

Eine alte christliche Tradition

So entstand diese Gewohnheit an jenem 2. Mai 1935 in ihren wesentlichen Zügen: Sie besteht in einem Besuch bei der Muttergottes, ggf. in einem Marienheiligtum, den man im Monat Mai im Geist des Gebetes und der Buße und mit apostolischer Intention vornimmt. Wenn möglich, legt man ein Stück des Weges zu Fuß zurück. Man betet einen Teil des Rosenkranzes auf dem Hinweg, einen anderen Teil auf dem Rückweg und den Rosenkranzes des Tages mit der Litanei im Heiligtum selbst oder vor dem Muttergottesbild, das man besucht.

Es ist klar, dass diese Wallfahrt nichts großartig Neues darstellte, denn das Pilgern zu marianischen Wallfahrtstätten war seit vielen Jahrhunderten eine Tradition in der Kirche.

Es ist nicht überflüssig, daran zu erinnern, dass die Aufgabe der inneren Entwicklung des Werkes („Work in progress“, wie man in der Umgangssprache der Arbeitswelt sagt) vom hl. Josefmaria höchste Sensibilität nicht nur im übernatürlichen sondern auch im geschichtlichen Kontext verlangte. Er musste sich – das war von ungeheurer Bedeutung – ganz treu an die Inspirationen Gottes halten, mit denen dieser ihm nach und nach den Geist des Werkes und seine spezifischen apostolische Vorgehensweise zeigte. „Der Vater machte sich sehr häufig Notizen“, sagt Gonzalez Barredo in seinem persönlichen Zeugnis. „Oft ging er in sein Zimmer und schrieb auf, was er gerade gesehen hatte, eine Erfahrung, die er gerade gemacht hatte. Das war immens wichtig und charakteristisch für ihn, da alles noch im Entstehen war und es nötig war alles schriftlich festzuhalten.“

Der Bericht über die Wallfahrt nach Sonsoles beweist, dass er dieser Verantwortung voll nachkam.

"En la Misa, al hacer el memento, con empeño muy particular -más que mío- pedí a nuestro Jesús que aumentara en nosotros -en la Obra- el Amor a María, y que este Amor se tradujese en hechos..."