So werden Familienkonflikte überwunden

Der verstorbene Bischof von Münster, Reinhard Lettmann schrieb 1985, anlässlich des 10. Todestages des Gründer des Opus Dei, einen exklusiven Artikel für den Münchner Merkur, in dem er Josemaria Escrivá "einen gern gesuchten Ratgeber in vielen Fragen des Lebens" nannte und ihn zu einigen Erziehungsfragen selbst zu Wort kommen ließ.

Der verstorbene Bischof von Münster, Reinhard Lettmann zitiert Aussagen zu Familie und Erziehung des hl. Josefmaria, von dem er 1985 in einem Artikel sagte: "Der Gründer des Opus Dei war ein gesuchter Ratgeber."

Josemaria Escrivá wird nicht müde, in seiner Verkündigung zu betonen, dass das alltägliche Leben der wahre Ort christlicher Existenz ist. Gott ruft uns, ihm in den alltäglichen Situationen und Aufgaben unseres Lebens zu dienen. Von dieser Grundüberzeugung her bekommt auch das Leben der christlichen Familie eine besondere Bedeutung im Denken und in der Verkündigung des Gründers des Opus Dei. Es ist unmöglich, die Fülle seiner Gedanken zum Thema Familie auch nur kurz anzusprechen. J. Escrivá war ein gern gesuchter Ratgeber in vielen Fragen des Lebens. Ich möchte ihn in diesem Artikel selbst zu Wort kommen lassen, als Ratgeber in einigen Fragen, die unsere christlichen Familien heute besonders berühren.

In einem Gebet im „Gotteslob“ heißt es: „Gott, wir danken dir für alle Menschen, die durch das Zeugnis ihres Glaubens unseren Glauben begründet haben und stärken.“ Bei diesem Gebet werden viele von uns an die eigenen Eltern denken, die durch das Zeugnis ihres Glaubens unseren Glauben begründet und gestärkt haben. In einer Predigt zum Weihnachtsfest 1970 sagt Msgr. Escrivá: „Müsste ich den Eltern einen Rat geben, würde ich ihnen vor allem dies sagen: Lasst eure Kinder sehen – sie sehen es ohnehin von klein auf und bilden sich ihr Urteil darüber, macht euch da keine Illusionen –, dass ihr euch bemüht, im Einklang mit eurem Glauben zu leben; dass Gott nicht nur auf euren Lippen, sondern auch in euren Werken ist, dass ihr euch bemüht, aufrichtig und loyal zu sein, dass ihr euch und sie wirklich gern habt.“

Langmut und heitere Gelassenheit

Nicht selten ist das gegenseitige Verständnis in der Familie erschwert. Eltern und Jugendliche haben in nicht wenigen Punkten unterschiedliche Ansichten. Msgr. Escrivá rät, ihn solchen Fällen ein weites Herz zu haben, Langmut und heitere Gelassenheit. „Es ist selbstverständlich und durchaus natürlich, dass Jugendliche und Erwachsene die Dinge auf verschiedene Weise sehen; das ist immer so gewesen. Überraschend wäre es, wenn ein Heranwachsender genauso denken würde wie ein erwachsener Mensch. Wir alle haben gegen die Erwachsenen aufbegehrt, als wir begannen, unabhängig zu denken.“

Von besonderem Belang werden unterschiedliche Meinungen, wenn sie wichtige Fragen des Lebens oder gar Lebensentscheidungen betreffen. Solche „Entscheidungen, die die Ausrichtung des Lebens bestimmen, (müssen) in letzter Instanz von jedem in völliger Freiheit, ohne Zwang oder Druck irgendwelcher Art gefällt werden. Das bedeutet nicht, dass man nicht gerade auch in solchen entscheidenden Fragen Rat suchen und annehmen soll. Die Eltern können und sollten ihren Kindern hier wertvolle Hilfe leisten. Sie können ihnen neue Perspektiven auftun, ihnen ihre Erfahrungen mitteilen, sie zur Besinnung anhalten und ihnen eine sachliche Beurteilung der Dinge vor Augen halten, damit sie sich nicht von einer Augenblicksstimmung fortreißen lassen.“

Msgr. Escrivá hat eine große Achtung vor der Freiheit des Menschen. Deshalb fügt er hinzu: „ Ein solcher Rat hebt die persönliche Freiheit nicht auf; er stellt lediglich Urteilshilfen bereit, die das Feld der Wahlmöglichkeiten erweitern und die Wirkung irrationaler Faktoren bei der Entscheidung vermindern.“

Das Gespräch darf nicht abreißen

Solange das Gespräch in der Familie nicht abreißt, ist noch eine Grundform des Miteinanders vorhanden. Das Einander-nahe-Bleiben in der Familie kann auch dann noch gelten, wenn man räumlich getrennt lebt. Man kann einander nahe bleiben, in der Anteilnahme aneinander, in der Sorge füreinander und vor allem im Gebet. Bisweilen hat das Einander-nahe-Bleiben auch die Form des Aufeinander-Wartens, so wie es im Evangelium beim Vater vom verlorenen Sohn war, der auf dessen Rückkehr wartet und ihn nach langer Abwesenheit und Irrfahrt wieder in seine Nähe aufnimmt.

Josemaria Escrivá rät den Eltern, „sich die Freundschaft ihrer Kinder zu gewinnen. Die für die Erziehung notwendige elterliche Autorität ist durchaus vereinbar mit einer echten Freundschaft, die verlangt, dass man sich auch mit den Kindern auf eine Ebene zu stellen vermag. Auch wenn sie scheinbar noch so rebellisch und eigenwillig sind, sehnen sich die Kinder im Grund immer nach einem offenen, brüderlichen Verhältnis zu ihren Eltern. Der Schlüssel dazu liegt im gegenseitigen Vertrauen.“

Es fällt den Eltern nicht immer leicht, Verständnis für ihre Kinder zu haben. Msgr. Escrivá hält es für wichtig, dass die Eltern versuchen, „sich ein jugendliches Herz zu bewahren; dann wird es ihnen leichter fallen, die echten Anliegen, aber auch die Extravaganzen der jungen Leute mit Sympathie aufzunehmen. Das Leben ändert sich, und es gibt viel Neues, das uns vielleicht nicht zusagt. Möglicherweise ist es auch gar nicht besser als das Althergebrachte. Aber das heißt nicht, dass es schlecht ist; es handelt sich einfach um den Ausdruck eines anderen Lebensstils und besitzt keine weiter reichende Bedeutung.“

Nicht nur den Eltern hat Msgr. Escrivá etwas zu sagen. Er spricht auch die Kinder und Jugendlichen an und weist sie darauf hin, dass auch sie einen Beitrag für das Miteinander in der Familie leisten müssen. Dabei spürt man, wie sehr er der Jugend Vertrauen schenkt. „... nicht alles hängt von den Eltern ab. Auch die Kinder haben das Ihre beizutragen. Die Jugend ist immer fähig gewesen, sich für hohe Ideale, für alles Große und Echte zu begeistern. Man sollte ihr helfen, die schlichte, unter alltäglicher Selbstverständlichkeit verborgene Größe im Leben ihrer Eltern entdecken zu lernen, und ihr – ohne lästig zu fallen – die Augen dafür öffnen, dass das Wohl der Familie ihren Eltern nicht selten heroische Hingabe und Selbstverleugnung abverlangt.“

Diese Aussagen des Gründers des Opus Dei über das Miteinander in der Famliei, insbesondere über das Miteinander von Eltern und Kindern, enthalten manche konkreten Hinweise, wie man den Alltag in der Familie christlich leben kann.

Reinhard Lettmann, ehemaliger Bischof (+) von Münster, Münchner Merkur, 20. August 1985