Was ist das Opus Dei?

In diesem Interview antwortet Msgr. Fernando Ocáriz, seit 2017 Prälat des Opus Dei, auf häufig gestellte Fragen zum Opus Dei und seinem Gründer, dem hl. Josefmaria Escrivá.

Fernando Ocáriz

Fernando Ocáriz wurde 1994 Generalvikar der Prälatur Opus Dei. Seit 2017 ist er der Prälat dieser Organisation. Er gehört dem Werk seit 1971 an und wurde 1944 in Paris geboren. Der Sohn eines Militärveterinärs ist ein Priester mit einem weit gespannten Lebenslauf. Er hat ein Diplom in Physik und ist Doktor der Theologie. Als Professor für Dogmatik war er eine Zeitlang an der Universität von Navarra und in Rom, wo er auch Christologie gelehrt hat. Außerdem ist er Konsultor der Glaubenskongregation und seit 2016 Großkanzler der Päpstlichen Universität vom Heiligen Kreuz in Rom.

Welches ist Beitrag des Charismas von Josemaría Escrivá für die Kirche?

Das Charisma des neuen Heiligen und schließlich und endlich des Opus Dei entsteht in der Kirche und kommt von der Kirche. Es stellt daher eine der vielfältigen Arten und Weisen dar, durch die der Heilige Geist ins Leben der Kirche eingreift. Wenn ich einen charakteristischen Zug herausheben wollte, so würde ich die Betonung der Funktion der Laien in der Kirche nennen.

In welcher Hinsicht ist der Gründer des Opus Dei ein Vorbild der Heiligkeit?

Das Leben der Heiligen ist harmonisch, d.h. die menschlichen Tugenden sind untereinander und mit den übernatürlichen Tugenden verwoben. Das Ergebnis ist eine anziehende Persönlichkeit, die aus einem Guss ist. In Josemaría Escrivá zeigt sich dieser organische Charakter der Heiligkeit ganz klar, daher würde ich sein Bemühen herausstellen, in jeder Tätigkeit die Liebe Gottes und den Dienst am Nächsten anzustreben.

Welchen Fehler würden Sie in der menschlichen Persönlichkeit von Msgr. Escrivá ausmachen?

Josemaría Escrivá war sich bewußt, vor Gott klein zu sein. Er sagte von sich selbst, er sei „ein Sünder, der Jesus Christus liebt“ und er habe viele Fehler. Ich denke allerdings, dass er in Tugenden verwandelt hat, was Fehler hätten sein können. Zum Beispiel wurde das, was er seine Dickköpfigkeit nannte, zu Beharrlichkeit und Stärke angesichts von Widrigkeiten.

Welche Verpflichtungen geht der gewöhnliche Gläubige ein, der sich dem Opus Dei anschließt?

Wer zum Opus Dei kommt, begibt sich unter die Jurisdiktion des Prälaten und seiner Vikare in allem, was sich auf die Sendung der Prälatur bezieht. Das beinhaltet konkret die Teilnahme an einigen christlichen Bildungsmitteln (geistliche Besinnungstage, Unterricht in Theologie etc.) und die Mitarbeit an apostolischen Unternehmungen, die das Werk ins Leben ruft, und zwar nach den je eigenen Möglichkeiten. Man muss allerdings im Auge behalten, dass dies alles wesentlich auf das Bemühen des Einzelnen zielt, die Verpflichtungen, die sich aus der Taufe ergeben, in ihrer Fülle zu leben. Jeder Christ ist aufgrund der Taufe gerufen, sich in den normalen Umständen seines Lebens zu heiligen und den anderen dabei zu helfen.

Welchen Einsatz für die Belange der Menschen leistet das Opus Dei in der Welt?

Die Prälatur Opus Dei als solche vermittelt einzig und allein christliche Bildung und bietet priesterlichen Beistand an. Beides richtet sich an die Mitglieder des Opus Dei und andere Menschen, die dies wünschen. Und als Folge davon rufen die Gläubigen des Werkes gemeinsam mit anderen Erziehungsinitiativen und Hilfsprojekte ins Leben; auch im Rahmen dieser Einrichtungen hat die Prältur nur den Auftrag, christliche Bildung und priesterliche Betreuung zu ermöglichen.

Sind die Miglieder des Opus Dei nur an Finanzen, Politik und Professorenstellen an der Universität interessiert?

Das Finanzwesen, die Politik oder die Lehrstühle interessieren logischerweise diejenigen Gläubigen der Prälatur, deren Berufsleben sich im Bereich der Finanzen, der Politik oder der Universität abspielt. Dort versuchen sie ja gerade, mit voller Hingabe ihre christliche Berufung zu leben. Aber die meisten Leute vom Opus Dei bewegen sich nicht in diesen Kreisen und interessieren sich daher für andere Dinge: für die Land- oder Viehwirtschaft, für die Fabriken, in denen sie arbeiten, für den Handel, den Haushalt und viele andere Bereiche der menschlichen Arbeit.

Ist das Opus Dei innerhalb der Kirche als eine konservative Organisation anzusehen?

Josemaría Escrivá legte viel Wert darauf, dass man die eigenen Talente nutzbringend einsetzt. Das setzt Risikobereitschaft und Ideenreichtum voraus. Die Lehre Christi zeigt klar, was innerhalb der Kirche „konservieren“ bedeutet. Wenn konservativ sein heißt, die eigenen Talente und Fähigkeiten zu begraben, dann kann ein Jünger Christi nicht konservativ sein. Die Kirche im allgemeinen – und das Opus Dei im besonderen – ist in einem anderen Sinn konservativ, insofern sie sich bewusst ist, dass ihr ganzer Reichtum von Christus kommt und dass sie diesen Schatz nicht vergeuden darf. Aber sie ist innovativ, indem sie diesen Reichtum unter allen Kulturen verbreitet, ihn mit allen Situationen konfrontiert, die die Menschen im Laufe der Geschichte hervorgebracht haben, und versucht, aus dieser Perspketive Antworten auf die Probleme der Menschheit zu geben.

Warum ruft eine Organisation, die die Kirche anerkennt, so viel Polemik in dieser selben Kirche hervor?

Ich teile diese Meinung bezüglich der Polemik nicht; wenn überhaupt, dann gibt es verschiedene Meinungen, die zudem immer respektvoll sind. Auf der anderen Seite ist es verständlich, dass das Opus Dei Zielscheibe von Kommentaren und unterschiedlichen Analysen gewesen ist, da es im Leben der Kirche eine Neuheit darstellt. Als das Werk in Rom seine ersten Schritte tat, machte jemand in der Kurie den Kommentar, dass es ein Jahrhundert zu früh gekommen sei. Inzwischen haben sich durch das Konzil Wege geöffnet, ihm eine seiner theologischen Natur angemessene juridische Form zu geben – die Personalprälatur – und sein Einsatz ist weit über alle fünf Kontinente verbreitet, daher sind die Meinungen gemäßigter und fast immer positiv; das heißt nicht, das die Mitglieder des Werkes bewundert werden – wir sind nicht besser als die anderen – sondern dass der geistlichen Reichtum der Kirche geschätzt wird. Mir will scheinen, das Bild einer polemisierten Institution gehört in die Vergangenheit, wo es außerdem nur in der Vorstellung weniger existierte; ich denke da zum Beispiel an das alte Thema der Geheimniskrämerei. Ich habe geradezu Schwierigkeiten, eine Institution zu finden, über die man, wenn man es wünscht, mehr erfahren kann als über das Werk.

Welchen Platz nehmen die Armen in einer katholischen Einrichtung wie das Opus Dei ein?

Die Armen bedeuten im Werk das, was sie für die Christen immer bedeutet haben: sie sind wie jeder andere Mensch das ganze Blut Christi wert. Zahlenmäßig sind sie weitaus mehr als die Reichen, wie dies auch in der Gesellschaft und in der Kirche der Fall ist. Das Werk ist übrigens gerade unter den verlassensten Armen und Kranken von Madrid entstanden. Es gibt viele Sozialinitiativen, die von Gläubigen des Opus Dei ins Leben gerufen werden, angefangen bei ambulanten Krankenstationen und Krankenhäusern (wie Monkole in Kinshasa) bis hin zu berufsbildenden Schulen in dieser Sparte.

Interview veröffentlich in La Razón (Spanien), 5.10.2002